Prokrastination: Warum verschieben wir wichtige Arbeiten im Alltag, die erledigt werden müssen?

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Prokrastination bedeutet Vertagen oder Verschieben. Das Aufschieben oder Verschieben von wichtigen Aufgaben, die erledigt werden müssen. Was man sich fest vorgenommen hat, erledigt man nicht, weil man sich mit unwichtigen Dingen beschäftigt und sich somit ablenken lässt. Aber warum machen wir das? Und was steckt dahinter? Hier finden Sie wertvolle Tipps um das Aufschieben zu vermeiden.

Müde macht nur die Arbeit, die wir liegen lassen, nicht die Arbeit die wir tun.

Marie von Ebner-Eschenbach, Büro-Kaizen

Im Alltag muss man Arbeiten verrichten, wie unter anderem seine Steuererklärung erledigen, auch wenn die Begeisterung dafür nicht sehr groß ist. Aber wir verschieben es lieber auf morgen und fokussieren uns auf unwichtige Arbeiten wie putzen oder den Keller aufräumen. Dieses Verhalten ist weit verbreitet. In der Psychologie nennt man es Prokrastination. Zum Beispiel haben Sie im Internet eine Stelle gefunden, die Ihrem Profil entspricht. Sie drucken die Annonce aus und wollen sich unbedingt auf die Stelle bewerben, aber vorher möchten Sie noch die Blumen gießen, ein paar Telefonate durchführen oder unwichtige Whatsapp-Nachrichten durchlesen. Ob bewusst oder unbewusst, vergeuden Sie Ihre Zeit mit unwichtigen Dingen. Am Ende des Tages haben Sie sich nicht auf die gewünschte Stelle beworben. nationalgeographic.de

Auch für die Wissenschaft ist dieses Phänomen sehr interessant. Sie stellte fest, dass prokrastinieren häufig Menschen trifft, die sich bei der Arbeit keine Prioritäten setzen. Diese Menschen haben oft auch ein Minderwertigkeitsgefühl, das berufliche, aber auch private Erfolgserlebnisse stark negativ beeinflusst. Sie prokrastinieren, um Gefühle zu verdrängen und beschäftigen sich mit kleinen und niedrigschwelligen Zielen, um dadurch Glücksmomente zu erreichen. Damit bleibt die Hauptaufgabe unberührt und wird einfach verschoben, die Angst zu scheitern ist einfach zu groß. Das Belohnungszentrum im Gehirn wird aktiviert, indem man zum Beispiel anfängt auf Social-Media aktiv zu werden, stellte Büro-Kaizen fest.

Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!

Wer sich damit schwertut, eine wichtige Aufgabe pünktlich zu beginnen, oder wer halbe Sachen abliefert, der sollte wissen, dass er stark gefährdet ist zu prokrastinieren, meint der Wirtschaftspsychologe Florian Becker.

Was passiert, wenn man immer wieder die Arbeit verschiebt?

Es entsteht Stress, aber auch Sorgen und Schuldgefühle kommen hoch, weil man weiß, die Arbeit wird dadurch nicht weniger, stellte heise.de fest.

Prokrastination: Leider sehr weit verbreitet

Prokrastinationsambulanz: An der westfälischen Wilhelms Universität finden Studierende und Berufstätige Hilfe, die unter Aufschieberitis leiden. Diese Personen schieben wiederholt und unnötig wichtige Aufgaben auf. Sie leiden unter psychischen und körperlichen Beschwerden. Die Konsequenzen sind gravierend im beruflichen, sowie im privaten Lebensbereich. Die Experten der Prokrastinationsambulanz schätzen, dass etwa 10 Prozent der Bevölkerung davon betroffen ist, so das Gesundheitsmagazin der AOK.

Eine Studie der Universitätsmedizin Mainz zeigt:

Eine Studie der Universitätsmedizin Mainz mit etwa zweitausendfünfhundert Probanden aus verschiedenen Altersklassen zeigt: Junge Menschen, die noch zur Schule gehen oder studieren und hauptsächlich Männer, sind am meisten betroffen. Zwanzig Prozent der Bevölkerung, also jede*r Fünfte von uns, ist von ständigem Aufschieben im Alltag ohne schwerwiegende gesundheitliche Folgen betroffen, so das Gesundheitsmagazin der AOK.

Warum schieben wir auf?

Wir schieben auf, weil uns bestimmte Aufgaben keinen Spaß machen, aber dennoch erledigt werden müssen. Dies erzeugt Druck auf uns und führt zu einem Teufelskreis. Durch Ablenkungen betäubt unser Gehirn diesen Druck, der nicht direkt unmittelbaren Erfolg verspricht. Zum Beispiel in dem man anfängt zu putzen, oder Ablenkung durch Social-Media erfährt, in dem man mit Likes belohnt wird. Diese Erfolge setzen im Gehirn Belohnungsstoffe frei und es lernt ein dysfunktionales Verhaltensmuster: Wenn Druck aufkommt, dann lenke dich mit Nebensächlichem ab. Danach ist man zufrieden. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Unwichtiger Kleinkram hält sie vom Wesentlichen ab, so heise.de.

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Ist man faul, wenn man prokrastiniert?

Prokrastinieren hat mit Faulheit nichts zu tun, das Gegenteil ist der Fall, weil man beim Prokrastinieren aktiv ist. Die Aufgaben, die gemacht werden müssen, werden einfach liegen gelassen, stattdessen beschäftigt man sich mit anderen Aufgaben. Zum Beispiel muss eine wichtige Hausarbeit fertiggestellt werden, aber man beschäftigt sich lieber mit dem Putzen der Küche. Faulheit dagegen ist, wenn man unter der Sonne liegt und nichts tut.

Was kann man dagegen tun?

Das AOK Gesundheitsmagazin empfiehlt folgendes:

Priorisieren: Eine To-do-Liste erstellen und alle Punkten nach Prioritäten sortieren. Priorisieren sollte man auch nach hohen, mittleren und niedrigen Kategorien. Dann sollte man die Aufgaben in Stufen A, B und C aufteilen und in dieser Reihenfolge auch durcharbeiten. Anschließend erledigte Arbeiten sollte man durchstreichen. Das verstärkt das Gefühl der Zufriedenheit.

Aufgaben planen und Konkretisieren: Zu jeder Aufgabe sollte man sich kurz aufschreiben, wann, wo und wie die Aufgaben erledigt werden sollten. Folgende Fragen, sollte man sich stellen: Wann fange ich damit an? Wo arbeite ich? Wie viel Zeit brauche ich dafür? Was ist das Ziel? Was sind die notwendigen Schritte für das Ziel? Welche Informationen brauche ich dazu? Und woher bekomme ich diese?

Arbeitstempo protokolieren: Schreiben Sie sich auf, wie viel Zeit Sie für eine Aufgabe benötigen? Beobachten Sie sich bei einer Aufgabe, die Sie schon eine Weile aufschieben. Was sind Ihre Gedanken dazu oder was lenkt Sie davon ab? Wie lange arbeiten Sie effektiv daran? Wenn Sie genug Informationen gesammelt haben, dann können Sie auch leichter Änderungen vornehmen.

Alle Störungen beseitigen: Lassen Sie sich nicht ablenken. Störungen sollten Sie vorab ausschließen. Essen Sie vorher etwas, damit Sie keinen Hunger bekommen und die Arbeit deswegen abbrechen müssen. Sorgen Sie dafür, dass Sie für niemanden erreichbar sind, auch das Vibrieren am Handy ausschalten. Familie, Freund*innen und Kolleg*innen vorab informieren, dass Sie für die nächsten zwei Stunden nicht erreichbar sind. Ablenkungen sorgen meistens dafür, dass man nicht vorankommt und es vergehen wertvolle Minuten, bis man die Arbeit wieder aufnimmt.

Große Aufgaben in kleine Aufgaben teilen: Teilen Sie große Aufgaben immer in kleine Einzelschritte, damit fällt es Ihnen einfacher anzufangen. Ist der erste Schritt gemacht, werden Sie auch den Rest nach und nach durcharbeiten.

Fünfzig Prozent Regel anwenden: Wir Menschen überschätzen uns zeitlich häufig für alles, was wir uns vornehmen. In der Regel brauchen wir doppelt so viel Zeit, wie wir uns einplanen. Streichen Sie die Hälfte der Arbeiten auf ihrer To-do-Liste durch. Damit sorgen sie für Erfolgserlebnisse.

Arbeitszeitreduktion: Legen Sie vor Arbeitsbeginn realistische Zeitfenster fest, dieses soll nicht überschritten werden. Sie werten die Arbeitszeit auf, indem Sie diese verknappen. Wer wenig Zeit hat, ist in dieser Zeit effektiver.

Hinterfragen Sie Ihr Aufschieben: Was sind die Ursachen hinter dem Aufschieben? Warum ist das Aufschieben zu Gewohnheit geworden? Was ist so unangenehm, bestimmte Arbeiten durchzuführen? Spüren sie Stress, wenn Sie diese Arbeiten durchführen? Was muss passieren, damit Sie ohne Stress und negative Gefühle arbeiten. Versuchen sie Gewohnheiten zu durchbrechen. Packen Sie die Aufgaben ganz anders an.

Ritualtechnik einführen: Nehmen Sie Ihre To-do-Liste in die Hand und tragen Sie einen bestimmten Zeitpunkt fest, wann Sie anfangen möchten. Stellen Sie den Wecker ein, bevor Sie mit der Arbeit beginnen. Bereiten Sie sich mit einem Ritual auf die Arbeit vor. Lüften Sie den Raum, räumen Sie Ihren Schreibtisch auf und sammeln Sie dafür benötigte Unterlagen. Je öfter sie dieses Ritual durchführen, umso einfacher wird es für Sie.

72-Stunden-Regel beachten: Fangen Sie auf die Minute genau an, denn jede Minute die jetzt verstreicht, macht es unwahrscheinlicher, dass Sie sich aufraffen, um die Arbeit zu erledigen. Nach der 72-Stunden-Regel sinkt die Chance, ein Projekt zu beginnen, wenn wir nicht innerhalb von drei Tagen starten, sogar auf ein Prozent.

Leistungsphasen beachten: Sind Sie eine Lerche oder eine Eule? Wann ist Ihre Leistung am stärksten? Richten Sie sich nach Ihren persönlichen Leistungsphasen. Diese liegen individuell stark zeitversetzt. Sie sind eine Lerche, die problemlos früh aufsteht und sich morgens am besten konzentrieren kann? Nutzen sie vor allem diese Zeit, um aufgeschobene, schwierige, unangenehme Dinge abzuhaken. Wenn Sie hingegen zu Eulen gehören, können Sie sich abends und nachts besonders gut konzentrieren. Das Arbeiten wird Ihnen wesentlich leichter fallen, wenn Sie diesen Rhythmus respektieren.

Arbeit und Freizeit trennen: Wenn Sie arbeiten, dann konzentrieren Sie sich nur auf Ihre Aufgaben. Legen sie feste Pausen ein und halten Sie sich auch daran. Überschreiten Sie nicht die Arbeitszeiten. Erholungszeiten sind zu berücksichtigen.

Belohnung einholen: Überlegen Sie, wie Sie sich nach der erledigten Aufgabe belohnen, wenn Sie eine Aufgabe auf ihre To-do-Liste erledigt haben. Kaufen Sie sich was Schönes (Eis, Kaffee oder Tee) oder gehen Sie nach Feierabend ins Kino. Damit steigern Sie ihre Motivation.

Familie und Freund*innen mitteilen, was sie vorhaben: Wenn Sie anderen Menschen erzählen, was Sie vorhaben, entsteht automatisch ein Druckmittel. In ihrem Umfeld entstehen Erwartungen, dass Sie die Aufgabe nun auch tatsächlich erledigen.

Hilfe in Anspruch nehmen: Wenn Sie alle Tipps ausprobiert haben und trotzdem nicht vorankommen, dann benötigen Sie dringend professionelle Hilfe. Häufig tritt das Aufschieben mit einer Depression auf. Der Grund kann aber auch eine Angststörung, ADHS oder Psychose sein. Als Behandlung hilft meistens eine Psychotherapie bzw. eine kognitive Verhaltenstherapie.

Text: Fassieh Khairi

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