Dass sich im Frankfurter Stadtgebiet und Umland viele Gaststätten und Apfelweinfeste etabliert haben, liegt vor allem daran, dass hier deutschlandweit der meiste Apfelwein hergestellt und konsumiert wird. Heutzutage findet Apfelweinkultur vor allem in den Wirtschaften und auf Ausschänken statt. Abgesehen davon gibt es in Frankfurt kaum noch einen Ort, der sich dem lokalen Kultgetränk widmet.
Von 1991 bis 2011 befand sich das Frankfurter Äpfelweinmuseum, zusammen mit der Gaststätte Historix, am Römerberg – in dem dort 1972 errichteten Historischen Museum Frankfurt. Dort war auch die Bembel-Sammlung des im Jahr 2010 verstorbenen Politikers Helmut Lenz ausgestellt. Lenz und der Apfelweinproduzent Günter Possmann vom Familienunternehmen Kelterei Possmann GmbH & Co.KG waren es, die sich für diese Abteilung maßgeblich engagiert hatten. Heute jedoch findet man im neu gebauten Historischen Museum keine Apfelwein-Abteilung mehr. Was ist passiert?
Vom Jahr 2011 bis Anfang 2012 schloss das Historische Museum Frankfurt seine Pforten, weil dessen ursprünglicher, erster Neubau aus dem Jahr 1972 vollständig abgerissen und die angrenzenden Altbauten saniert wurden. Ein wie bisher in das Historische Museum integriertes Apfelweinmuseum war danach nicht mehr vorgesehen. Die bestehenden Exponate, darunter auch die Lenz’sche Bembel-Sammlung, wurden eingelagert, da bis zu diesem Zeitpunkt noch kein tragfähiges Konzept bestand, die hessische Apfelweingeschichte zeitgemäß darzustellen.
Um dem abzuhelfen, gründeten engagierte Bürger*innen im Jahr 2012 den Trägerverein Deutsches Apfelweinmuseum e. V. und präsentierten ein wegweisendes Konzept für ein eigenes Frankfurter Apfelweinmuseum. Idealerweise sollte ein Museum in Kombination mit einem Apfelweinrestaurant entstehen.
Es gab Überlegungen, als Liegenschaft das ehemalige Tanzlokal Paradieshof in Alt-Sachsenhausen zu nutzen. Seitens des Trägervereins kristallisierte sich jedoch schnell die Überzeugung heraus, dass der leerstehende Ratskeller auf dem Römer-Areal der ideale Standort sei, gehören die historischen Räume im Südbau des Frankfurter Rathauses doch zu den reizvollsten Räumen in der Frankfurter Altstadt. Zudem wäre ein Apfelweinmuseum in unmittelbarer Nachbarschaft zur neuen Altstadt ein weiterer Anziehungspunkt für Touristen und Frankfurter*innen.
Alle im Text angeführten Informationen kann man in der Presseschau des Trägervereins Deutsches Apfelweinmuseum e. V. nachlesen.
Dem ersten Anschein nach wäre ein in das Apfelweinmuseum integrierter Gastronomiebetrieb leicht umzusetzen, da der Ratskeller bis zum Jahr 2015 ohnehin als Kantine für städtische Angestellte genutzt worden war. Einen geeigneten Betreiber hatten die Mitglieder des Trägervereins schon im Blick, denn das Konzept sah vor, das Museum durch Einnahmen des Restaurants querzufinanzieren. Man hoffte so, die Gastronomiefläche für die ersten drei Jahre von der Stadt pachtfrei erhalten zu können. Allerdings wurde dem Enthusiasmus des Trägervereins durch den Magistrat der Stadt Frankfurt ein Dämpfer verpasst. Dieser möchte nämlich das Museum im Römerkeller und das Restaurant im Ratskeller unabhängig voneinander betreiben lassen. Dazu gäbe es bereits eine vom Amt für Bau und Immobilien ABI durchgeführte Investorensuche. Der künftige Pächter müsse sich dennoch vertraglich verpflichten, mit dem Museum zusammenzuarbeiten.
Über die Vergabe der Gaststätte im Erdgeschoss führe man bereits Verhandlungen mit einem Interessenten. Dieser wäre zur Rundumsanierung der Räume gezwungen, denn die technischen Voraussetzungen von Lüftung, Küche mit Fettabscheider, Brandschutz und Haustechnik entsprechen nicht mehr dem heute erforderlichen Standard, zumal nach der Schließung der städtischen Kantine die zugehörige Küche ausgebaut worden sei. Folglich müsste der Betreiber eine neue Restaurantküche installieren, wobei die Planungen vorsehen, den einstigen Küchenbereich zu verkleinern und die dadurch freiwerdende Fläche als zusätzlichen Gastraum zu nutzen.
Interessierte Pächter müssten akzeptieren, dass eine Außenbewirtschaftung des Ratskellers nahezu unmöglich ist. Wobei sich ohnehin die Frage stellt, ob es unbedingt eine Außenbewirtschaftung braucht. Der Reiz, den historischen Ratskeller aufzusuchen, liegt im Gebäude selbst. Zudem sind Römerberg und Paulsplatz bereits mit vielen Straßen‐ und Außenwirtschaften belegt. Überdies möchte sich der Magistrat vorbehalten, dort auch weiterhin eigene Veranstaltungen abzuhalten, beispielsweise das traditionelle Weihnachtsgans-Essen für Obdachlose.
So bleibt eine an das Apfelweinmuseum angeschlossene Gastronomie letztlich eine Frage der finanziellen Abwägung. Die Stadt Frankfurt am Main kann kein Budget für den Umbau der Liegenschaft bereitstellen. Für die historischen Räume des denkmalgeschützten Frankfurter Rathauses gelten umfangreiche Sicherheitsauflagen, die der zukünftige Betreiber kostenaufwendig erfüllen müsste. Der Ausschreibung zufolge beliefe sich die Investitionssumme für die Sanierung auf einen hohen Millionenbetrag.
Die aus dem Jahr 2018 stammende Kostenschätzung für Anschaffungs- und Ausbaukosten belief sich auf 1,3 bis 1,5 Millionen Euro. Zu bedenken ist jedoch, dass seit der Pandemie die Kosten für Baustoffe um durchschnittlich 30 Prozent gestiegen sind, was eine aktuelle Kostenschätzung höher ausfallen lässt. Insgesamt wurden dem Trägerverein seitens mehrerer Stiftungen 700 000 Euro Fördergeld zugesichert. Man befürchtet aber, dass durch die endlos hinausgezögerte Zusage seitens der Stadt die Stiftungen ihre Fördergelder irgendwann anderweitig vergeben werden.
Nachdem anfängliche Abstimmungsschwierigkeiten zwischen dem Baudezernat und dem für den Römer zuständigen Dezernat des Oberbürgermeisters überwunden waren, wurde es am 28. Juni 2019 schlussendlich offiziell: Das Deutsche Apfelweinmuseum wird den Römerkeller im Römer-Areal beziehen. Dies erklärten der Magistrat, unter dem damaligen Oberbürgermeister Peter Feldmann, und der Bau-Stadtrat Jan Schneider.
Das Apfelweinmuseum soll im Untergeschoss der Liegenschaft eingerichtet werden. Dies bleibt für die Planungen weiterhin herausfordernd, weil zwei unterschiedliche Dienstleistungsunternehmen sich eine gemeinsame Liegenschaft teilen würden. Es beträfe vor allem die gemeinsame Nutzung der öffentlichen Bereiche. Dazu gehören Treppenhäuser, Veranstaltungsflächen, Fluchtwege und Toiletten. Wegen der schmalen Wendeltreppen, die ins Untergeschoss führen, stellt die zu gewährleistende Barrierefreiheit noch eine große Hürde dar.
Die Mitarbeiter*innen des Bauamtes müssen die unterschiedlichen Interessen eines kommerziellen Gastronomiebetriebes und eines nicht gewinnorientierten Museums aufeinander abstimmen. Für die gemeinsame Nutzung des Ratskellers brauche der Magistrat dafür juristisch bindende Verträge mit beiden Nutzern. Gemeinsame, vom Amt für Bau und Immobilien ABI koordinierte Ortstermine mit allen Beteiligten helfen, Hindernisse zu beseitigen und das angestrebte Ziel im Blick zu behalten. Deswegen kann man nur schwer abschätzen, wie lange der Planungsprozess noch dauern wird. Zunächst müssen die denkmalschützerischen, bautechnischen und juristischen Fragen der Nutzerverträge beider Betreiber geklärt werden.
Man darf gespannt sein, ob und inwieweit sich ein künftiger Gastronomiebetreiber vom Konzept des Trägervereins für ein Apfelweinrestaurant inspirieren lässt. Eigentlich wollte man den gastronomischen Raum wie eine typische Apfelweinwirtschaft gestalten, in der es verschiedene Bereiche geben sollte – tagsüber Kantine für Museumsbesucher und abends Restaurant für Events, Feste und Apfelweinverkostungen. Gäste sollten die Zubereitung typischer regionaler Gerichte wie Grüner Soße oder Handkäs’ mit Musik in einer offenen Küche miterleben dürfen.
Nachhaltigen Erfolg für beide Unternehmen wird es wohl nur geben, wenn Gastronomie und Deutsches Apfelweinmuseum sich aufeinander abstimmen. Wird es ein fein aufeinander abgestimmter Handkäs’ mit Musik oder eher Apfelkompott? Im Idealfall befruchten sich Gastronomie und Frankfurts Apfelweinkultur zu einer guten Apfelernte.
Das Deutsche Apfelweinmuseum soll ein Haus der Apfelweinkultur sein, das zugleich Museum, Fortbildungsstätte und Kompetenzzentrum ist. Dies stünde im Einklang mit der formalen Definition des internationalen Museumsverbandes.
“Ein Museum ist eine nicht gewinnorientierte, dauerhafte Institution im Dienst der Gesellschaft, die materielles und immaterielles Erbe erforscht, sammelt, bewahrt, interpretiert und ausstellt. Öffentlich zugänglich, barrierefrei und inklusiv, fördern Museen Diversität und Nachhaltigkeit. Sie arbeiten und kommunizieren ethisch, professionell und partizipativ mit Communities. Museen ermöglichen vielfältige Erfahrungen hinsichtlich Bildung, Freude, Reflexion und Wissensaustausch.”
Quelle: ICOM. Offizielle Museumsdefinition der Nationalkomitees des internationalen Museumsverbandes für den deutschsprachigen Kulturraum.
Dass die handwerkliche Apfelweinkultur in Hessen seit dem Jahr 2022 auf die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes gesetzt wurde, ist für den Trägerverein Deutsches Apfelweinmuseum e. V. ein Glücksfall. Von der UNESCO gewürdigt zu werden, schafft Argumente für die geplanten Erlebniswelten, in denen Schulklassen, Familien und Touristen alles über Apfelwein erfahren können. Angelehnt an das Lebensmotto des langjährigen Frankfurter Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann soll das Museum ein Ort sein, an dem Kultur für alle! möglich wird. Genau wie in klassischen Apfelweinwirtschaften soll es auch hier keine soziale Abgrenzung geben.
Ursprünglich sah das Museumskonzept fünf Erlebniswelten vor, die aber durch die Planungen des Magistrates auf die vier Erlebniswelten im Untergeschoss reduziert werden mussten:
- Ökosystem Streuobstwiese – Vom Baum in den Bembel
- History – Vom Siegeszug des Apfelweins
- Das Bembelkabinett
- The World of Applewine
1. Erlebniswelt: Ökosystem Streuobstwiese – Vom Baum in den Bembel
Die Bedeutung des Ökosystems Streuobstwiese insbesondere Kindern und Jugendlichen zu vermitteln, wird immer wichtiger. Welche Bedeutung haben Apfelbäume für ein nachhaltiges und regeneratives Biosystem? Die Mitglieder des Trägervereins sagen zu Recht: Apfelweintrinker sind auch immer Natur- und Landschaftsschützer. Apfelbäume gedeihen am besten in einem naturbelassenen Umfeld. Eine Streuobstwiese ist biodiverser Lebensraum für mehr als 500 Apfelarten, hunderte von Pflanzenarten und mehr als 2.000 Tierarten.
Viele private Keltergemeinschaften schließen sich zusammen, um ihr eigenes Obst zu keltern, denn das Keltern ist mehr als nur ein Hobby. Das Wissen über die Apfelweinherstellung wird so von Generation zu Generation weitergegeben. Im Apfelweinmuseum profitieren Besucher*innen von diesem Wissen und lernen zum Beispiel, mit einer manuellen Apfelweinpresse Apfelsaft zu gewinnen und erfahren, wie der Saft später zu Wein wird.
2. Erlebniswelt: History – Vom Siegeszug des Apfelweins
In einem kleinen Kino will man mehr über die Geschichte des Apfelweins vermitteln. Wie konnten Äpfel in der Rhein-Main-Region Weintrauben verdrängen? Wie macht man seit dem Mittelalter Apfelsorten durch Züchtung resistenter? Wie sicherten Apfelernten den allgemeinen Wohlstand in der Region? Wie hat sich die Apfelweinherstellung im Lauf der Zeit weiter professionalisiert? Wissenswertes, aber auch Kurioses soll hier seinen Platz finden.
3. Erlebniswelt: Das Bembelkabinett
Im Bembelkabinett soll die Bembel-Sammlung von Helmut Lenz einen festen Platz finden. Diese war zuvor als Dauerleihgabe im Historischen Museum zu sehen und ist seit dem Umbau dort eingelagert. Die Historisch-Archäologische Gesellschaft Frankfurt am Main hat ein wachsames Auge darauf. Sie ist auch offen für Spenden seltener Objekte, Bilder oder Dokumente, die man dem Förderverein zukommen lassen möchte. Beispielsweise überließ im Jahr 2016 die Tochter der verstorbenen Volksschauspielerin Liesl Christ dem Bembelkabinett eine Sammlung einzigartiger Apfelweinkrüge, Becher und Gläser aus dem Volkstheater und der HR-Produktion Zum Blauen Bock. Künftig möchte man es Interessierten ermöglichen, in Workshops ihren eigenen Bembel zu töpfern.
4. Erlebniswelt: The World of Applewine
Mit einer virtuellen Weltreise will man über den regionalen Tellerrand hinausblicken. Besucher*innen erfahren hier mehr über den Cider, den Cidre oder den Sidra, denn überall, wo Apfelbäume stehen, wird Apfelwein hergestellt. Regional unterscheiden sich beispielsweise französischer Cidre, irischer Cider oder spanischer Sidra je nach Apfelsorten, Herstellung und Alkoholgehalt vom hessischen Stöffche. Die virtuelle Weltreise nimmt Anleihen bei der Internationalen Frankfurter Apfelweinmesse, die jährlich im Gesellschaftshaus Palmengarten stattfindet. Dort treffen sich Apfelwein-Enthusiast*innen aus Deutschland und der ganzen Welt. Wie man es von der Frankfurter Buchmesse kennt, wird auch hier zu jeder Messe ein Gastland eingeladen. So war im Jahr 2016 Japan zu Gast und Dänemark im Jahr 2017. Innovative Cider-Ideen, wie zum Beispiel Craft Cider, sind die Domäne der irischen Delegation, die mit ihren neuartigen Konzepten die Branche auffrischt und die Apfelweinmesse zur Weltleitmesse für Apfelwein, Cider, Cidre, Sidra & Co. macht. Im Jahr 2018 wurde die Messe in Cider-World umbenannt, und weil Irland als Heimat des Ciders gilt, war die Insel zugleich auch Gastland. Im Jahr 2024 waren erstmals die Vereinigte Staaten von Amerka zu Gast.
Der Apfelmost für britischen Cider durchläuft einen langen Gärungsprozess und eine lange Reifezeit und entwickelt deshalb einen entsprechend hohen Alkoholgehalt.
Dagegen wird beim französischen Cidre der Reifungsprozess früh gestoppt. Für den Cidre de Normandie eignen sich von den 750 regionalen Apfelsorten nur etwa fünfzig. Man verwendet kleine, trockene Äpfel, die viel Säure, Zucker und Tannin enthalten. Cidre Bretagne ist ebenfalls ein Schaumwein und genau wie der hessische Äppelwoi das typischste regionale Getränk. Auch irischer Cider hat eine lange Tradition, wird überall auf der Insel hergestellt und ist eine beliebte Alternative zum Guinness.
Im Grunde muss man in ganz Europa nicht auf qualitativ hochwertigen Apfelwein verzichten. Man lernt, die regionalen Besonderheiten zu schätzen, sei es in der Schweiz, in Österreich, Frankreich, Luxemburg, Slowenien, Finnland, Irland, Großbritannien, Portugal oder Spanien. In der Erlebniswelt sollen Besucher*innen Apfelweine aus aller Welt probieren und erwerben können. Das Konzept dieser Erlebniswelt sieht vor, dauerhaft mit der spanischen Region Asturien zu kooperieren. Mit dem Sidra-Spezialisten Eduardo Vazques Coto im Vorstand des Trägervereins (inklusive der Unterstützung des Instituto Cervantes Frankfurt und des Spanischen Fremdenverkehrsamtes) sieht man sich diesbezüglich auf einem guten Weg.
Kontakt:
Trägerverein Deutsches Apfelweinmuseum e.V.
Eschborner Landstr. 156
60489 Frankfurt am Main
Telefon: 0163 – 6351 211
E-Mail: info@deutsches-apfelweinmuseum.de
Internet: https://www.deutsches-apfelweinmuseum.de/
Apfelwein im öffentlichen Stadtraum
Literatur zum Thema:
- Andrea Diener und Stefan Geyer (Hrsg.): Süss Sauer Pur – Unterwegs in der Frankfurter Apfelweinkultur, Verlag Henrich Editionen 2016, 16,00 €
ISBN-10 : 3943407713
ISBN-13 : 978-3943407716
Text rek