Adieu, Kinoperle

Mit Nachthimmelkulisse, lauer Brise und französischer Küche wunderbare Filmerlebnisse zu genießen ist nur noch wenige Wochen auf dem Gelände des Alten Polizeipräsidiums möglich – dann rollen die Bagger.

Außenfassade des Alten Präsidiums /Foto: GFFB

Normalerweise lockt das alte Polizeipräsidium unweit des Frankfurter Hauptbahnhofs nur Lost-Place-Erkundende und Hobbyfotograf*innen an. Doch diesmal stößt eine andere Kundschaft dazu. Bis zum 27. August lädt das Freiluftkino Frankfurt alle Cineast*innen in Frankfurt und Umgebung zu Filmvorstellungen in den Innenhof des über 100 Jahre alten Areals im Gallus ein. Dort, unter dem Dach einer kleinen Tankstelle, an der früher die Streifenwagen betankt wurden, sitzt es sich dann besonders beschaulich-gruselig. Rundherum bröckelt bereits der Mörtel von der Fassade, die vom Kinospektakel am Abend in ein schummrig-flackerndes Licht getaucht wird. Passenderweise wurde zur rauen Kulisse am Eröffnungstag der Kriminalfilm namens „Sonne und Beton“ von David Wnendt ausgewählt, welcher auf der gleichnamigen Romanvorlage von Felix Lobrecht basiert .

Bretonische Galette
Finger-Food zum Film / Foto: Jenny Johansson, Pixabay

Nichtsdestoweniger wird die düster wirkende Umgebung durch nette Kleinigkeiten durchaus erhellt. Wie in den Jahren zuvor, bekommt der Filmkenner zur Stärkung vor der Vorführung an einer Bar Longdrinks und andere kühle nicht-alkoholische Getränke. Dazu serviert „Chez Vivi“, eine mobile Crêperie, bretonische Spezialitäten wie Galettes mit Birne, Olivencreme, Ziegenkäse- Creme mit kandierten Walnüssen, alternativ salzige Buchweizen-Crêpes mit Marmeladen, Schokocreme oder Caramel au beurre salé.

Büros und Wohnungen geplant

Eine laue Brise, kühle Getränke, hier und dort noch Saucen-Reste und viele gebannte Blicke, die sich auf die große Leinwand des Open-Air-Kinos des Alten Polizeipräsidiums richten – eine Szene, die im Innenhof des alten Baudenkmals leider zum letzten Mal zu beobachten sein wird. So soll im künftigen Gebäudeensemble aus Neubau und denkmalgeschütztem Bestand die Nutzung von Büros, freifinanziertem, aber auch gefördertem Wohnungsbau im Vordergrund stehen, verspricht der Düsseldorfer Projektentwickler Gerch, der mit der Stadt Frankfurt vor vier Monaten den städtebaulichen Vertrag für die Quartiersentwicklung abgeschlossen hatte. Mit dem Vertrag wurde die künftige Nutzung des Areals am Alten Polizeipräsidium vereinbart. Mike Josef, neuer Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt, kann es kaum erwarten: „Eine lange leerstehende Brache kann endlich ein Stück lebendige Stadt werden. Ich hoffe, dass noch in diesem Jahr die Bagger rollen“, wird der SPD-Politiker in einer Pressemeldung des Projektentwicklers zitiert. Nachdem für die sogenannte Brache rund 210 Millionen Euro in die städtische Kasse flossen, wollen die Düsseldorfer den vorderen Teil des alten Präsidiums sanieren und als Gewerbeimmobilie vermarkten, mit Gastronomie im Erdgeschoss und Büros in den oberen Etagen. Der hintere Teil weicht einem 175 Meter hohen Wolkenkratzer, in dem oben Büros und unten Wohnungen geplant sind, daneben zwei weitere Wohngebäude. Bei einem Investitionsvolumen von „mindestens 800 Millionen Euro“, so der Mannheimer Morgen, sollen insgesamt „56.000 Quadratmeter Bürofläche und rund 450 Wohnungen, davon 30 Prozent gefördert, entstehen“, ergänzt die FAZ.

Schauderhaftes am Himmel

Mann vor Kino-Leinwand
Kinobesucher im Open-Air-Kino / Foto: Whicdhemein One, Pexels

Mit einer beeindruckenden Zahl kann aber auch der Verein Lichter Filmkultur aufwarten. Der feiert nämlich sein 10-jähriges Jubiläum und lädt abermals zum Filmabend an dem schaurig-schönen Ort in der Friedrich-Ebert-Anlage ein. Dessen ausgesuchtes Filmprogramm bietet einige Hochkaräter: In Jordan Peele geheimnisvollem Horrorfilm „Nope mit Daniel Kaluuya und Keke Palmer, werden die Anwohner*innen eines einsamen Tals in Kalifornien Zeugen einer unheimlichen Entdeckung, die nicht von dieser Welt zu sein scheint. Möglicherweise wird sich das Mysteriöse dieses Science-Fiction-Spektakels auch am 20. Juli über Frankfurts Nachthimmel zeigen und das in flauschige Decken eingehüllte Publikum in seinen schauderhaften Bann ziehen.

Wer Lust auf einen älteren Filmklassiker hat, sollte den 22. Juli in seinen Terminkalender eintragen. Denn dann darf der Schauspieler Jeff Bridges im Kultfilm „The Big Lebowski“ von den Coen-Brüdern in deutscher Synchronfassung ran. Alle anderen fremdsprachigen Filme laufen ansonsten in Originalfassung mit deutschen Untertiteln. Der Drehbuchautor, Regisseur und Schauspieler Franck Dubosc präsentiert in seiner Tragikomödie „Die Rumba-Therapie“ am 23. Juli einen Vertreter aus dem Nachbarland Frankreich. Der Mittfünfziger Tony, verkörpert von Dubosc selbst, ist Busfahrer im Pariser Umland. Als er einen Herzinfarkt erleidet, wird dem Kettenraucher klar, dass er in seiner verbleibenden Zeit noch etwas Sinnvolles tun sollte. Zudem möchte er Kontakt zu seiner erwachsenen Tochter Maria (Louna Espinosa) herstellen, deren Mutter er einst noch vor Marias Geburt verließ. Da die junge Frau als Tanzlehrerin in Paris arbeitet, überredet er seine alleinerziehende Nachbarin Fanny (Marie-Philomène Nga), mit ihm zusammen Marias Rumba-Kurs zu besuchen. Dieser erweist sich allerdings als durchaus anspruchsvoll.

Mit „Empire of Light“ bringt der Regisseur und Oscar-Preisträger Sam Mendes am 30. Juli eine Liebesgeschichte in turbulenten Zeiten auf die Leinwand. Auch die Magie des Kinos spielt in dem Film eine wichtige Rolle. Zum Plot: In einem englischen Dorf an der Küste in den frühen 1980er-Jahren befindet sich ein in die Jahre gekommenes Kino namens „The Empire“. Für die Mitarbeiter*innen ist der Arbeitsplatz zugleich Heimat und Familie. Hilary (Olivia Colman), kehrt nach längerer Abwesenheit ins Empire zurück, um dort routinemäßig ihre Arbeit zu erledigen. Als ein junger Mann (Michael Ward) seine Karriere im Empire beginnt, fühlen sich die beiden schnell zueinander hingezogen – der Wendepunkt, auf den die beiden so lange gewartet haben.

Hohe Nachfrage nach Tickets

Wer neugierig geworden ist und noch mehr Informationen zu der Veranstaltung und zum Jubiläumsprogramm erfahren will, findet alle weiteren Angaben hier. Das Gelände ist mit dem Rollstuhl problemlos zu erreichen, jedoch ist der Zugang zu den Toiletten nicht barrierefrei. Rollstuhlfahrer*innen sollten vor dem Besuch dem Veranstalter eine E-Mail schreiben, „damit er alles für ein besonderes Kinoerlebnis möglich machen kann“, heißt es auf der hauseigenen Website. Entgegenkommend: Begleitpersonen haben kostenfreien Eintritt! Das Programm für den Juli steht, das für August wird bald freigeschaltet. Für einige Filme gibt es bereits keine Karten mehr. Tipp: Wer mehr Wissenswertes zum Alten Polizeipräsidium lesen möchte, dem sei wärmstens der Artikel „Lost Place Polizeipräsidium“ auf dieser Website ans Herz gelegt. Zu guter Letzt wird dieser schrecklich-schöne Ort, dessen Gemäuer viel zu erzählen haben und der jetzt noch die Geschichte der Stadt atmet, bald schon der Zukunft weichen. Dann heißt es: Adieu, Freiluftkino im Gallus. (NTA/2023)

Wann:
Bis zum 27.08.2023, Einlass ab 19:30 Uhr
Filmbeginn bei ausreichender Dunkelheit. Bei schlechtem Wetter wird die Kinovorstellung verlegt.
Wo:
Eingang Ludwigstraße 18
Altes Polizeipräsidium
Friedrich-Ebert-Anlage 5-11
60327 Frankfurt am Main
Kontakt:
Freiluftkino Frankfurt
LICHTER – Filmkultur e.V.
Leipziger Straße 9
60487 Frankfurt am Main
Tel: 069 95642921
E-Mail: info@lichter-filmfest.de
Kosten:
Eintritt: 11,00 €
Emäßigt 10,00 €
(Ticket sind hier erhältlich)