Das Alte Frankfurter Polizeipräsidium gilt als sogenannter „Lost Place“, eine Bezeichnung, die in etwa gleichzusetzen ist mit „vergessener Ort“. Oft sind diese verlassenen Plätze nicht mehr genutzte Industriegelände oder verfallene Bauwerke, die quasi sich selbst überlassen werden, teilweise sogar einsturzgefährdet oder auch vom Abriss bedroht sind.
Das Alte Polizeipräsidium an der Friedrich-Ebert-Anlage stellt eine der schönsten Lost Place Locations in Frankfurt am Main dar. Das Präsidium wurde von 1914 bis 2002 von der Frankfurter Polizei genutzt und hat in dieser Zeit einige spannende Geschichten erlebt. Viele bekannte Kriminalfälle sind hier untersucht worden. In dem Zellentrakt, in dem früher die Verdächtigen untergebracht waren, saßen unter anderem der mutmaßliche Mörder der berühmten Edelprostituierten Rosemarie Nitribitt oder der Terrorist Andreas Baader, der – damals noch zu den Anfangszeiten der RAF – verantwortlich war für die Brandanschläge auf zwei Kaufhäuser. Auch der Frankfurter Hammermörder wurde in dem Gebäude verhört. (Quelle: Lost-Place | Das Alte Polizeipräsidium in Frankfurt | hessenschau auf YouTube)
Mittlerweile hat der Zahn der Zeit ordentlich an dem Altbau genagt. Seit dem Umzug der Polizeibehörde in die Adickesallee im Jahr 2002 stehen die Gebäude leer. Marode und heruntergekommen liegen die Gemäuer im Frankfurter Gallusviertel. Nicht weit davon entfernt sind Hauptbahnhof und Messegelände. Bis 2010 wurden die Räumlichkeiten noch für Partys, Ausstellungen und diverse Projekte genutzt. Auch Folgen für die beliebte Tatortserie im Fernsehen wurden in der Kulisse gedreht. Der Club „Präsidium 19/11“ nutzte die Location mehrere Jahre als Discothek.
Besprayte Ausnüchterungszellen, zerschlagene Türen, verwittertes Polizeimobiliar, überwucherte Innenhöfe und Fenster dokumentieren die morbide Ästhetik des Zerfalls […] Die Natur in und um das Gebäude hat sich im Laufe der vergangenen Jahre seinen “Freiraum” wieder zurückgeholt. Getrieben durch den Zahn der Zeit und unerlaubten Zutritt von Randalierern, hat es sich zu einem Ort mit hohem “Gruselfaktor” entwickelt. Schwache Nerven – Fehlanzeige!
Frankfurter Stadtevents
Blick in die Zukunft
2018 wurde das alte Präsidium vom Land Hessen zunächst an einen Investor verkauft, der die Sanierung der denkmalgeschützten Altbaufassade und den Abriss des hinteren Teils des Gebäudekomplexes plante. Dort sollte ein Hochhaus mit Wohnungen und Büros entstehen.
Nach der Pleite des Investors ist derzeit jedoch unklar, wie es mit dem Projekt weitergehen soll. Die Stadt befürchtet eine weitere Verzögerung der Baupläne.
Ausstellung und Führungen
Gemeinsam mit dem „Journal Frankfurt“ und den „Frankfurter Stadtevents“ wurde die Ausstellung „Lost Place Polizeipräsidium“ in der Fotogalerie Wiesenhüttenplatz initiiert. Mehr als 350 Fotografen hatten an dem Fotowettbewerb teilgenommen und dort ihre äußerst beeindruckenden Bilder präsentiert. Die Ausstellung ist inzwischen beendet, jedoch können die Fotografien noch online auf der Webseite des Journalisten und Fotografen Ulrich Mattner bewundert werden.
Die vom Frankfurter Journalisten und Fotografen Ulrich Mattner kuratierte Fotogalerie Wiesenhüttenplatz in der Szene-Location YokYok Eden und der Galerie des Le Méridien Frankfurt Hotels (Wiesenhüttenplatz 38) setzt sich mit Kunst- und Kulturveranstaltungen für die Wiederbelebung des vernachlässigten Wiesenhüttenplatzes ein. Betreiber ist der Wiesenhüttenplatz Verein e.V.
Webseite Ulrich Mattner – Fotogalerie Wiesenhüttenplatz
Voraussichtlich bis Ende August 2024 werden von den „Frankfurter Stadtevents“ Lost Place-Führungen hinter die Kulissen des alten Polizeipräsidiums angeboten. Die „mystische Führung der Superlative“ liefert nicht nur spannende Hintergrundgeschichten, sondern auch tolle Fotomotive. Zudem werden auch spezielle Führungen mit Fotoworkshop angeboten, in denen der Fotograf Ulrich Mattner Profi-Tipps für tolle Lost-Places-Bilder gibt.
Informatives zum Thema:
Journal Frankfurt: Der große Streit ums alte Polizeipräsidium
Journal Frankfurt: Altes Polizeipräsidium – Lost Place im Buchformat
Lost Places und Urbexing
Im Zusammenhang mit der Erkundung von einem „Lost Place“ fällt oft auch der Begriff „Urbexing“. Urbex steht für „Urban Exploration“, was so viel heißt wie Erforschung von Einrichtungen des städtischen Raums. Doch Vorsicht – denn diese Art der Stadterkundung bewegt sich oftmals an der Grenze zur Illegalität. Je nachdem, ob die Objekte für die Öffentlichkeit freigegeben sind oder sogar Einsturzgefahr besteht, gilt generell: Man begeht Hausfriedensbruch!
Oftmals werden diese verlassenen Orte auch von Fotografen für besonders ausgefallene und originelle Bilder genutzt, die sogenannte „Urbex Fotografie“ oder „Lost Place-Fotografie“. Doch auch hierbei gilt: Ist das Betreten des Schauplatzes illegal, so ist auch das Fotografieren und insbesondere die anschließende Veröffentlichung der Bilder nicht erlaubt.
Informieren Sie sich deshalb besser im Vorfeld darüber, ob der Besuch erlaubt ist oder wo entsprechende Führungen angeboten werden, sonst landet der Ausflug möglicherweise dort, wo wir unsere Reise begonnen haben, nämlich in einem Amtsgebäude der Polizei.
Quellen: Hessenschau, Frankfurter Stadtevents, Webseite Ulrich Mattner – Fotogalerie Wiesenhüttenplatz, https://www.daskreativeuniversum.de/street-art-ratgeber/, https://www.exali.de/Info-Base/lost-places-kunstwerk-urheberrecht, https://die-verlassenen-orte.de/urbex/
Text und Vorschaubild: Karola Neder
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