Städel Mixtape – So klingt Kunst

Foto: Städel-Museum

Was der Rapper Kurtis Blow und der alte Malermeister Lucas Cranach gemeinsam haben, kann man im Podcast des Frankfurter Städel-Museums herausfinden. Unter dem Titel „Städel Mixtape. Ein Kunstwerk – ein Soundtrack“ wird jeweils ein Kunstwerk aus der Sammlung mit mehreren Musiktiteln kombiniert.

Städel Mixtape – Max Beckmann – Selbstbildnis mit Sektglas (1919), ein Podcast des Städel-Museums in Kooperation mit ByteFM

Cheers, nochmal! Vor rund drei Jahren startete die erste Folge des Städel Mixtape mit einem Neuzugang in der Sammlung des Frankfurter Städel Museums: Max Beckmanns „Selbstbildnis mit Sektglas“ aus dem Jahr 1919. Es zeigt den Auftakt der Goldenen Zwanziger, Jazz und Champagner. Und es ist auch Teil eines ungewöhnlichen Vorhabens, das mittlerweile Früchte trägt. Seit nunmehr 25 Online-Folgen ermöglicht der Podcast „Städel Mixtape“, den das Städelmuseum in Zusammenarbeit mit dem Webradiosender ByteFM produziert, eine neue Art der Kunstbetrachtung, nach dem Motto: Ein Kunstwerk – ein Soundtrack. Dafür ist das Städel-Archiv mit seiner internationalen Sammlung aus 700 Jahre Kunstgeschichte wie geschaffen, von derlei Datenschätzen auch die Musikjournalistin Liz Remter profitiert. Seit 2021 widmet sie sich in jeder Folge einem Kunstwerk aus der Sammlung, um es hörbar zu machen. Ihre Bildanalysen mit biografischen und zeitgeschichtlichen Hintergründen verbindet die Expertin mit einer Musikauswahl von damals bis heute – von Pop über Hip-Hop bis Jazz und Klassik.

Strand und Schwermut

Städel Mixtape – Arnold Böcklin – Villa am Meer (1871–1874), ein Podcast des Städel-Museums in Kooperation mit ByteFM

Stimmungen, Motive, Geschichten und Assoziationen können in alle Richtungen gehen. Besonders deutlich wird dies in Arnold Böcklins in Wehmut getränkte „Villa am Meer“ aus dem Jahr 1871. “Im Vorbeigehen könnte man meinen, eine romantische Sommerlandschaft zu sehen, eben eine Villa im Abendrot, Zypressen, Strand, das Meer. Auf den zweiten Blick sieht man ein Bild voller Geheimnisse, Melancholie und Schwermut”, heißt es auf der ByteFM-Homepage. Passend zu dem Werk des Schweizer Malers stehen in dem dazugehörigen Mixtape #2 und der Playlist Interpreten wie etwa Joy Division (Atmosphere), Brahms (Neun Gesänge: Über die See – Op.69 Nr. 7) oder Robert Wyatt (Sea Song).

Erste Pin-up der Kunstgeschichte

Städel Mixtape – Lucas Cranach – Venus (1532), ein Podcast des Städel-Museums in Kooperation mit ByteFM

Auf einem anderen Bild ist die nackte “Venus” zu bestaunen. Sie ist die Göttin der Liebe vom deutschen Maler Lucas Cranach der Ältere. Aufgrund der spärlichen Details gibt das Gemälde einigen Spielraum für Interpretationen: “Ist das hauchdünne Tuch in den Händen der Venus gar das Band der Liebe, mit dem sie einst Mars, den Kriegsgott, fesselte?”, fragt sich ByteFM. Zumindest steht für das Städel-Museum fest: “Das durchsichtige Tuch schützt die Dame vor unseren Blicken so wenig wie ein Plastikvisier vor Corona – und genauso war’s in der Renaissance auch gedacht: Diese Venus von Lucas Cranach dem Älteren ist eins der ersten Pin-ups der Kunstgeschichte.” So geht es beim Mixtape #4 ganz um die Liebesgöttin und der Nacktheit aus dem Jahr 1532 – auch aber um die Reformation und Geschäftssinn. Mehr wird nicht verraten. Die dazugehörige Playlist reicht von Shocking Blue (Venus), über Kurtis Blow (Takin’ Care Of Business) bis zu Gustav Holst – Herbert von Karajan (Wiener Philharmoniker).

Klingt nach Ärger

Städel Mixtape – Daniel Richter – Horde (2007), ein Podcast des Städel-Museums in Kooperation mit ByteFM

Was sind das für Typen? Hooligans? Eine Bürgerwehr? Schwer zu sagen. “Diese Gruppe von Männern mit Helmen, Brustpanzern, Knieschonern und Schlagstöcken wirkt bedrohlich und aggressiv”, stellt ByteFM weiterhin fest. Gemeint ist die „Horde“ des deutschen Malers Daniel Richter. Der 61-Jährige Eutiner ist ein richtiger Star der internationalen Kunstszene. Seine Bilder werden auf der ganzen Welt gekauft, oder wie Wertanlagen gesammelt. Bei seinem Gemälde aus dem Jahr 2007 hatte der Künstler mit Punk-Attitüde bewusst offengelassen, wem wir da gegenüberstehen. Die Körper und Gesichter sind nur fragmentarisch wiedergegeben, farbstark, leuchtend. Auch für das Städel Mixtape #3 klingt diese Folge nach bedrohlichem Ärger. “Nach eigenen Angaben hört der Künstler im Atelier ja lieber Musik, als dass er malt”, erwähnt das Städel nebenläufig. Welche, das ist in dieser Podcast-Folge zu hören: Von The Clash (The Guns Of Brixton), Die Goldenen Zitronen (Der Bürgermeister) und Public Enemy (Fight The Power) sind nur einige Beispiele aus der gleichwertigen Playlist.

Cyborg mit Kraftwerk-Musik

Städel Mixtape – Bettina von Arnim – Hosenträger (1970), ein Podcast des Städel-Museums in Kooperation mit ByteFM

Zumindest steht für die deutsche Malerin, Grafikerin und Filmkünstlerin Bettina von Arnim fest: „Das ist kein lustiges Bild“, so die klare Ansage der 83-Jährigen über ihr Gemälde „Hosenträger“ auf der Städel-Homepage. Das Bild aus dem Jahr 1970 zeigt einen Maschinenmenschen, oder genauer gesagt einen Cyborg, ein Mischwesen aus biologischem Organismus und Maschine. Zumeist werden damit Menschen beschrieben, deren Körper dauerhaft durch maschinelle Bauteile ergänzt werden. “Der Name ist ein Akronym, abgeleitet vom englischen cybernetic organism (kybernetischer Organismus)”, weiß dazu Wikipedia zu berichten. Die Playlist zu diesem Mixtape #5 taugt hervorragend dazu – mit dabei: Pink Floyd (Welcome To The Machine), die legendäre Elektro-Pop-Band Kraftwerk (The Man Machine), Arca (Nonbinary) und Björk mit Jóga.

Hereinspaziert, liebe Stubenhocker

Städel Mixtape – Vilhelm Hammershøi – Interieur. Strandgade 30 (1901), ein Podcast des Städel-Museums in Kooperation mit ByteFM

Kommen wir zu Vilhelm Hammershøis Wohnung in Kopenhagen, „Strandgade 30“. Genau dort steht die Immobilie, die der Maler von 1898 bis 1909 mit seiner Frau Ida bewohnte. Puristische Interieurdarstellungen wie diese machen fast die Hälfte seines Œuvres in seinem Gemälde aus. “Räumlich exakt und mit grau abgemischten Farben malte der Dänische (sic) Künstler immer wieder Variationen des spärlich eingerichteten Appartements. Häufig ist wie hier eine Rückenansicht seiner Frau zu sehen. Eingekesselt von den offenen Türen wird sie wie ein Gegenstand exakt in der Bildmitte im Nebenraum fixiert. Es ist ein Spiel von heimlich und unheimlich, das den Reiz von Hammershøis Arbeiten bis heute ausmacht”, heißt es auf der Städel-Homepage weiter. Der passende Podcast-Text ergänzt: “Dutzende Male hat der dänische Künstler seine vier Wände festgehalten – als hätte er den Lockdown und die damit verbundenen ambivalenten Gefühle vorhergesehen”. Der*Die Betrachtende könnte meinen, dass die Abgrenzung von der Außenwelt fließend in das Gefühl übergeht, gefangen gehalten zu sein. Selbst die halb geöffnete Türe und die endlosen Flure führen ins Nichts. Ist dieses Mixtape #6 also unheimlich heimelig? Auf jeden Fall mit dabei und somit erlebbar: The Cure (In Your House), Martina Bertoni (Music For Empty Flats), James Blake (Voyeur) und Stephen Hough (Brahms: Klavierstücke Op. 119, No. 1 In B Minor: Intermezzo).

Nicht anfassen!

Das aktuelle Podcast-Kunstwerk von Carl Spitzwegs “Der Rosenfreund“, in dem ein Rosenkavalier seine Nase den Blüten auf der Leinwand entgegenstreckt, wird von dem Radiosender ByteFM mit folgendem Satz begleitet: „Nur schauen, nicht anfassen“, welches im Übrigen auch das Motto der März-Ausgabe des Städel-Mixtapes ist. In der Tat recken sich in dieser Folge #26 liebevoll gepinselte rosarote Blüten der Nase des Geistlichen entgegen, der offenbar verträumt den betörenden Geruch in sich aufnimmt. Rosarot ist auch das Kleid des Mädchens in der Laube, das sich in den Armen eines Soldaten unbeobachtet wähnt. “Erst auf den zweiten Blick entpuppt sich der Rosenfreund als heimlicher Beobachter dieser Szene. Der zunächst so romantisch anmutende Moment frommen Naturgenusses löst sich jäh in ein Bild menschlicher Triebe auf, die unerfüllt bleiben müssen: Nur schnuppern, nicht anfassen”, umschreibt das Städel die Szenerie auf dem Gemälde aus der Biedermeierzeit. Bei diesem Ausflug ins Grüne um 1845 werden die Zuhörer*innen unter anderem von Ringo Starr (Stop And Take The Time To Smell The Roses), Robert Schumann (Dichterliebe, Op. 48: XII: Am Leuchtenden Sommermorgen), Minnie Riperton (Close Your Eyes And Remember) und Eu Nice mit Coelicolor begleitet. (DE/2023)

Städel Museum
Foto: Städel-Museum

Wann:
Dauerveranstaltung
Wo:
Online
Kontakt:
Städel Museum / Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie
Dürerstraße 2
60596 Frankfurt am Main
Tel: 069 605098-0
E-Mail: info@staedelmuseum.de
Anmeldung:
Nicht erforderlich
Kosten:
Keine

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