Um den Umsatz anzukurbeln, überlassen die Supermärkte und Discounter nichts dem Zufall: Lange Laufwege, gezielte Produktplatzierungen und ausgesuchte Musik im Herzschlag-Takt sollen zum Shoppen verführen. Die Kundschaft bekommt davon meist nichts mit.

Dann mal rein in den Laden! Schon mit der selbstschließenden Einwegtür am Eingang des Discounters lauert bereits die erste Einkaufsfalle. Denn diese soll nicht nur bei Diebstählen die Flucht erschweren. Sie zwingt zudem die ehrliche Klientel, die es sich mit dem Einkauf vielleicht anders überlegt hat, zu einer Extra-Runde durch den gesamten Laden, bevor sie sich schließlich an der Kassenschlange vorbeidrängeln muss. Im Eingangsbereich befindet sich oftmals eine vollwertige Bäckerei, die einem den zusätzlichen Weg zum Bäckerladen erspart. Wer dachte, diese Bäckereien seien lediglich dazu da, der Kundschaft den Einkauf so angenehm wie möglich zu gestalten, hat sich gewaltig getäuscht. Denn dahinter verbirgt sich einmal mehr eine ausgeklügelte Marketingstrategie. Denn Bäckereien im sogenannten Vorkassen-Bereich verbreiten den Geruch von frischem Essen – und wer mit hungrigem Magen einkauft, kauft mitunter doppelt so viel ein wie nötig, so das Kalkül.
Brokkoli bremst
Neben Backwaren befinden sich im Eingangsbereich der vier Supermarktgrößen Edeka, Rewe, der Schwarz-Gruppe (Lidl & Kaufland) sowie Aldi oftmals auch eine Obst- und Gemüseabteilung. Gerade frische Äpfel, Tomaten oder Salat wählt man beim Einkauf mit Sorgfalt aus. Kaum jemand nimmt Obst mit Blessuren. So achten die meisten darauf, möglichst einwandfreie Produkte in den Einkaufswagen zu legen – und das kostet Zeit. Die Kundschaft wird entschleunigt. Ist sie erst auf diese Weise ausgebremst, wird sie auch den weiteren Einkauf in reduziertem Tempo fortsetzen: nach dem Motto: Wer länger in den Geschäftsräumen verweilt, hat mehr Zeit, Produkte zu entdecken, die nicht auf der Einkaufsliste standen.
Wer hätte das gedacht: Ein geringfügig unebener Fußbodenbelag bremst den Einkaufswagen in der Obst- und Gemüseabteilung und vermittelt, ohne dass es bewusst wahrgenommen wird, die Gemütlichkeit und Natürlichkeit eines Dorfmarktes. Wie der Chef des Remscheider Multisense-Instituts und Experte für Multisensorik-Marketing, Olaf Hartmann gegenüber dem Blog netzfrauen.org bestätigt, würde die Masche mit dem Boden tatsächlich funktionieren. Wenn zum unebenen Boden Körbe und Fotos dazukämen, die allesamt Frische und Natürlichkeit vermitteln, würde schnell ein altes Konzept in uns aktiv werden, das Vertrauen und Qualität signalisiere, so der Experete.

Längere Wege – mehr Umsatz
Wer viel Zeit im Supermarkt verbringt, kauft mehr ein – so lautet nach stern.de eine Faustformel des Handels. Und dementsprechend sind die meisten Märkte aufgebaut. Produkte, die häufig gebraucht werden, wie Milch oder Aufschnitt, werden weit hinten im Laden platziert. Die Länge der Wege in Supermärkten ist so konzipiert, dass man an möglichst vielen Waren und Angeboten vorbeiläuft. Wer nach der Arbeit müde und hungrig einkaufen geht, läuft zwangsläufig in die Verkaufsfalle.
Der Autor Sascha Aumüller vermutet in der Zeitung Standard, dass Supermarktketten zudem ihre Waren regelmäßig umsortieren. Warum? Auf neuen Umwegen würde die Kundschaft weitere Produkte entdecken, die sie eigentlich nicht gesucht hatte und nun zusätzlich kaufen würde. Allerdings ist diese Theorie umstritten. Wie der britische Forscher Siemon Scamell-Katz in seinem Buch „The Art of Shopping“ darlegt, geht der Mensch im Supermarkt immer denselben Weg, um sicherzustellen, beim Einkauf der nötigen Lebensmittel keines zu vergessen. Sortierte man die Produkte immer wieder um, würde es jedes Mal bis zu sechs Monate dauern, bis die Kundschaft eine neue kognitive Karte des Supermarkts angelegt hätte. In diesem Zeitraum hätte die Kundschaft weniger mentale Kapazitäten frei, neue Produkte zu entdecken.
Größere Einkaufswagen – höherer Kaufdruck
So oder so, der Supermarktleitung ist die Kundschaft am liebsten, die beim Einkauf nicht zum kleinen Einkaufskorb, sondern zum großen Einkaufswagen greift. Denn stellt man zwei Packungen Milch und ein paar Joghurts hinein, wirkt der Einkaufswagen beinahe leer. Um diesen Effekt zu fördern, werden die Einkaufswagen immer größer. Und je voluminöser der Wagen ist, desto mickriger wirken die Artikel, die darin liegen. Das verführt dazu, mehr Waren hineinzulegen, als ursprünglich beabsichtigt. Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass der Boden des Einkaufswagens oft angeschrägt ist. Dadurch rollen einige Verpackungen zur Hinterklappe des Wagens und somit aus dem Sichtfeld. Psychologisch erzeugt man durch diese vorgespielte Leere einen Kaufdruck. Tipp: Am besten nimmt man bei kleineren Einkäufen einen Einkaufskorb. So lässt sich viel besser abschätzen, wie teuer der Einkauf am Ende wird.

Schnäppchensuche auf Knien
Natürlich kauft das Auge mit. So werden auf Augenhöhe platzierte Artikel dem Experten zufolge bevorzugt gekauft. Deshalb stehen hier die teuersten Produkte, nicht nur zum Kaufanreiz, sondern weil die Herstellerunternehmen sogenannte „Placement fees/Slot- oder Listungsgebühren“ – so viel wie Reservierungsgebühren – zahlen müssen, wenn sie ihre Artikel hier platziert sehen wollen. Denn die „Streckware“ oben und die „Bückware“ unten bieten oft die gleiche Qualität zu deutlich unterschiedlichen Preisen – verständlich, dass Hersteller und Supermarkt die teure Ware leichter zugänglich haben wollen.
Ein Blick auf das Supermarktregal zeigt: Es gibt deutlich verkaufsattraktivere Produktplätze und zugleich weniger auffällige. Produkte, die sich im untersten Regalfach befinden, sind meist günstiger als diejenigen, die auf Augenhöhe platziert sind. Das heißt: Wer auf Schnäppchensuche gehen will, muss sich bücken.
Teamwork gefragt
Kaffee, Honig, Konfitüre und Backwaren wie Aufbackbrötchen stehen oft dicht beieinander. Zueinander passende Produkte, zum Beispiel für ein Frühstück, lassen sich zusammen besser verkaufen als einzeln für sich. Beim Kaffeekauf fällt fast zwangsläufig der Blick aufs Marmeladenregal und man erinnert sich, dass zu Hause das Glas mit der Erdbeerkonfitüre fast leer ist.
Musik entspannt, Musik erfreut – das weiß auch die Marktleitung. So sind die Musikstücke, die aus den Lautsprechern dringen, nicht willkürlich gewählt. Bei lockerleichten Klängen im Hintergrund fühlen sich Menschen wohler und füllen eher ihren Einkaufswagen. Dazu sagt Welt.de: „Gehen morgens die Rentner einkaufen, sind die Klänge ein wenig rustikaler, kommen die Jugendlichen mittags aus der Schule, wird es lauter, und für die gestressten Büroangestellten erklingen nach 18 Uhr ruhige Stücke. Wein verkauft sich am besten bei Berieselung mit klassischer Musik.“
Möwengeschrei und Meeresrauschen
Größere Einzelhandelsketten wie etwa die Globus-Markthallen, die über eine Fisch-Frische-Theke verfügen, spielen oft leises Möwengeschrei und Meeresrauschen ein. Das soll Urlaubsstimmung wachrufen. So kaufen wir unbewusst ein, was wir im Strandurlaub gerne gegessen haben, etwa teure Meeresfrüchte oder edlen Fisch. Apropos, auch Musik im Herzschlag-Takt verleitet zum Kauf. So hat die beruhigende Hintergrundmusik im Supermarkt in der Regel ein Tempo von 72 Schlägen pro Minute. Kein Zufall, denn laut Barmer Ersatzkasse liegt der Ruhepuls bei gesunden Erwachsenen im Regelfall zwischen 60 und 80 Schlägen pro Minute. Der Ruhepuls bei Frauen ist mit 70 bis 80 ein Tick höher. Also: Unser Herz schlägt im Takt der Musik und das wirkt entspannend auf uns. Und wer nicht gestresst ist, kauft mehr ein.

Quengelware auf der Zielgeraden
Kurz vor der Kasse stehen Süßigkeiten-Aufbauten in für Kinderhände greifbarer Höhe. Die Idee ist nicht neu, denn die sogenannte „Quengelware“ bringt die Kleinen seit Generationen zum Betteln. Wenn sie schließlich laut und wütend genug werden, bekommen sie endlich den Schokoriegel oder das Überraschungsei. Ein alter Trick, der noch immer erstaunlich gut funktioniert. So werden „in der Kassenzone mit solchen Mitnahmeartikeln bis zu fünf Prozent des Umsatzes gemacht, obwohl dieser Bereich nur 1,5 Prozent der Ladenfläche beträgt“, berichtet die Sächsische Zeitung in ihrer digitalen Ausgabe, wobei sie sich auf Erfahrungswerte der Verbraucherzentrale Sachsen bezieht. Laut den Datenanalysten von statista stehen die Deutschen bei jedem Einkauf durchschnittlich sieben Minuten an der Kasse. Das sind 63 Stunden pro Jahr. Im EU-Vergleich: Die Portugiesen warten statistisch gesehen nur 2,49 Minuten an der Kasse im Supermarkt. Bei den Griechen sind es dagegen 13,72 Minuten.
So spart man Bares
Wer beim Einkaufen bares Geld sparen will, sollte vorher eine Einkaufsliste erstellen. Wer strategisch vorgeht und bereits zu Hause genau aufschreibt, was gebraucht wird, kauft später nichts Überflüssiges. Das ist auch digital mit sogenannten Einkaufslisten-Apps möglich, die sich mit Mitgliedern aus demselben Haushalt teilen lassen. Wichtig ist, sich auch genau an die Einkaufsliste zu halten, sonst bringt sie keinen wirklichen Vorteil. Zudem sollte man nicht mit leerem Magen einkaufen gehen, denn wer hungrig in den Supermarkt geht, kauft meist mehr ein als geplant.
Und ein Tipp zum Schluss: Online-Shopping statt Supermarktbesuch. Im virtuellen Warenkorb hat man einen genauen Überblick über die ausgewählten Artikel und den Warenkorbwert. Wenn man mit beidem zufrieden ist, lässt man sich die gewünschten Lebensmittel einfach nach Hause liefern. Einen Überblick über die aktuell 15 besten Online-Lebensmittelmärkte auf Rädern hat beispielsweise das Münchener Vergleichs- und Bewertungsportal trusted.de zusammengetragen. (DE/2025)