Stadtteil Westend Teil 1

 

Das Frankfurter Westend ist das Stadtquartier, in dem seit dem Ende des 18. Jahrhunderts vermögende Bankiers und Kaufleute siedelten. Infolge der Umstrukturierung der Nachkriegszeit und die Verdrängung alter Villen durch moderne Büro- und Bankgebäude hat das Westend leider seinen noblen Wohncharakter teilweise verloren.

 

Kontinuität

Kontinuität – eine der schwersten Granit-Skulpturen der Welt
(Im Hintergrund die Deutsche-Bank-Hochhäuser).

Die Skulptur Kontinuität von Max Bill (auch Koloss von Frankfurt genannt ist ein Hauptwerk der „Zürcher Schule der Konkreten“ und wurde im Auftrag der Deutschen Bank für den Vorplatz vor den Doppeltürmen ihrer Hauptverwaltung an der Taunusanlage erstellt. Seit 2011 steht die Skulptur in einem Wasserbassin in einer neu geschaffenen Grünanlage (Mainzer Landstraße) neben der Deutschen Bank. Das Bildwerk wurde aus einem Rohblock geschaffen, der 180 Tonnen wog und für dessen Transport eine Straße aus dem sardischen Steinbruch zur Hauptstraße aufgeschüttet werden musste, bevor er mit dem Schiff nach Marina di Carrara kam. Federführend für Steinbildhauerarbeiten an der Skulptur war der belgische Bildhauer Dominique Stroobant. Dort wurde die Kontinuität in zweieinhalb Jahren Arbeit geformt und poliert, bevor sie 1986 aufgestellt werden konnte. Dabei entstand eine der schwersten Granitskulpturen der Welt.

Max Bill zählt zu den Vertretern der „Zürcher Schule der Konkreten“, die in den 1930er Jahren Formen entwickelten, die nicht in der Natur vorkommen. Die Skulptur „Kontinuität“ ist ein Band mit zwei Kanten. Max Bill beabsichtigte seit den 1940er Jahren die Gestaltung des Lebensraums mit Mitteln der Modernität, Rationalität und Technik und war der Auffassung, dass Kunst auf der Basis mathematischer Denkweise entwickelt werden kann. Bill hatte sich jahrelang mit Geometrie, Stereometrie, Trigonometrie und mathematischen Gleichungen beschäftigt und veröffentliche 1949 die Untersuchung „Über die mathematische Denkweise in der Kunst“. „Die wunderbar harmonischen Linien überschneiden sich vor dem sie umwandelnden Betrachter zu immer neuer Schönheit, die so zahlreich sind, wie die Standpunkte, die sich vor dem Werk einnehmen lassen“ – Werner Spies.

Der Kettenhofweg

 Den Namen bekam der Kettenhof (ungefähr in der Gegend um die Ecke Kettenhofweg / Arndtstraße) im 16. Jahrhundert. Als der erste nachweisbare Besitzer wurde Johann Koet (1560 in einer Ratsurkunde erwähnt),
der ihm auch seinen Namen gab. Später wurde der Name des Hofs zu Ketten-Hof verballhornt. Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Kettenhof abgerissen und die Bebauung des heutigen Westends darübergelegt.
Der Kettenhofweg erhielt erstmals eine feste Straßendecke und wurde nach Westen bis nach Bockenheim verlängert.
In den 1970er Jahren, zur Zeit des Frankfurter Häuserkampfs, sollte der Kettenhofweg für immer sein Aussehen ändern. Er war als Standort für Bürohäuser ausgewiesen. 1972 und 1973 kam es am besetzten Haus Nummer 51 zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Abrissgegnern. Zu dieser Zeit entstanden auch an der Kreuzung zur Ulmenstraße die umgangssprachlich nach ihrem prominenten Miteigentümer als „Bubis-Türme“ bezeichneten Bürohochhäuser Ulmenstraße 37-39. Die 67 m hohen Doppeltürme wurden 2008/2009 für gemischte Nutzung als Gewerbe- und Wohnimmobilien umgebaut.

Adorno-Gedenktafel am Haus Kettenhofweg 123

Am Haus mit der Nummer 123 erinnert eine Bronzetafel an den Philosophen, Soziologen, Musikwissenschaftler und Komponisten Theodor W. Adorno, der dort seit seiner Rückkehr aus dem US-Amerikanischen Exil im Jahr 1949 bis zu seinem Tod 1969 gemeinsam mit seiner Ehefrau lebte.

 

Frankfurts Kommune 1 – Niedenau 51

Frankfurts Kommune 1

Das Haus Niedenau 51 hat eine typische Geschichte eines besetzten Hauses im gutbürgerlichen Westend. Der Krieg und die fortgesetzte Zerstörungswut der Bauspekulation der 1960er Jahre haben dieses Areal noch verschont.
In den 1970er Jahren wurden im Westend mehrere Häuser von Studenten besetzt (Liegenschaften Zimmerweg 13,15,17, Niedenau 46,57,59, Schubertstraße 27, Siesmayerstraße 3,6, Schumannstraße 69,71, Eppsteiner Straße 47).
Im ersten Stock des Hauses Niedenau 1 befand sich die Frankfurter „Kommune 1“. Die WG stand für eine neue Lebensform, ein neues nicht mehr Familien-bestimmtes gemeinsames Leben. Die Küche war Dreh- und Angelpunkt des Lebens in einer Wohngemeinschaft. Daniel Cohn-Bendit war der bekannteste Bewohner in der Niedenau 51. Das Haus blieb elf Jahre lang besetzt und ist heute ein „normales“ Wohnhaus im eleganten Westend.

 

 

Das private Museum Goldkammer Frankfurt. Kettenhofweg 27

Goldkammer Frankfurt

Ein schlichtes Wohnhaus des Spätklassizismus. Das um 1850 errichtete Gebäude verfügt über einen barockisierenden Anbau. Es wurde als Kindergarten genutzt, 2019 zum Museum Goldkammer Frankfurt umgebaut und am 25. Mai 2019 eröffnet. Die Goldkammer Frankfurt ist ein kunst- und kulturhistorisches Museum, das 500 Goldartefakte aus verschiedenen Kulturen und Epochen umfasst, die in unterirdischen Kammern präsentiert werden. Die Exponate werden durch digitale Stationen ergänzt, die über Entstehung, Bedeutung, Verarbeitung und Verwendung von Gold informieren. Im Museum befinden sich 6 Themenräume: Prolog, Frühe Kulturen, Goldstück, Geldstück, Antike Welten, Gold aus den Meeren und Sammlung Rothschild.
Im Museum befindet sich auch ein Shop.

Öffnungszeiten:
Di., Mi., Fr., Sa., So. 11:00 bis 19:00 Uhr, Do. 11:00 bis 20:00 Uhr. Mo. ist Ruhetag, Feiertage-geschlossen.

Der Eintritt mit Kulturpass beträgt 1,00 €.

Edle Pferdeställe

Der Livingstonscher Pferdestall

Livingstonscher Pferdestall

Der Livingstonscher Pferdestall in Frankfurt (Ulmenstraße 20, Ecke Kettenhofweg) ist ein denkmalgeschütztes neobarockes Gebäude aus dem Ende des 19. Jahrhundert. Es wurde inmitten des Villenviertels Westend nach einem Entwurf des Architekten Carl Ludwig Schmidt von dem aus Amerika zurückgekehrten Frankfurter Geschäftsmann Marks John Livingston 1880 errichtet, der mit seiner Familie unweit entfernt in der Villa Bockenheimer Landstraße 33 wohnte. Die Anlage mit Doppeltor-Arkade, eine zweigeschossige Pferdestallung und Kutschenremise, wurde im Stil der barocken Feudalarchitektur des 18. Jahrhunderts erbaut. Die Dachsilhouette mit Pferdebürste, Firstgitter, Skulpturenschmuck und Uhrtürmchen ist architektonisch und baugeschichtlich erwähnenswert. Eine Atlas-Figur ziert die Hausecke Ulmenstraße / Kettenhofweg. Im Obergeschoss wurden damals aus Platzmangel ebenfalls Kutschen untergestellt. Der Bau enthält Boxen für Pferde, einen Stallraum aus Tuffstein und eine an Wänden und Decken mit Eichenholz getäfelte Sattelkammer.

Ein eigens konstruierter Aufzug wurde genutzt, um Pferde und Kutschen in den Keller transportieren zu können. Durch Walmdach, Gauben, Zwerchhäuser, Firstgitter, Skulpturenschmuck und Uhrtürmchen entsteht eine reiche Dachsilhouette. Da das Gebäude später von dem Bankier Rothschild übernommen wurde, bezeichnet man es auch
als „Rodschild’sche Stallung“. Die Familie Rothschild gehörte naturgemäß zu den ersten Frankfurter Familien, die ein Telefon besaß. Daher war es kein Problem, die Kutschen zu bestellen und vorfahren zu lassen. Der Livingstonsche Pferdestall ist heute ein Bürgerhaus.

Pferdestall Feldbergstraße und Sgraffiti

Pferdestall Feldbergstraße

Ein weiteres Kutschenhaus steht – verziert und mit seiner Sgrafitto-Pferdemalerei* –an der Ecke Feldbergstraße / Freiherr-von-Stein-Straße.

*Der Begriff Sgraffito (Plural: Sgraffiti) ist vom italienischen Verb sgraffiare oder graffiare, deutsch: kratzen, abgeleitet. Es handelt sich um eine Dekorationstechnik zur Bearbeitung von Wandflächen. Nach der Auflage verschiedenfarbiger Putzschichten werden Teile der oberen Putzschicht abgekratzt und Teile der darunterliegenden Putzschicht freigelegt, so dass durch den Farbkontrast ein Bild erzeugt wird. Die Technik wurde besonders in Italien und Böhmen des 16. Jahrhunderts benutzt, findet aber bis in die heutige Zeit Verwendung durch Stuckateur-Handwerker. Sgraffito wird daher zu den Stucktechniken gezählt. Analog dazu werden auch bestimmte „Kratztechniken“ bei anderen Farbauftragsarten als Sgraffito bezeichnet (z.B. in der Aquarellistik).

In der Niedenau haben sich an einigen Häusern ebenfalls kleine Pferdeställe erhalten.

Christuskirche auf dem Beethovenplatz

Christuskirche auf dem Beethovenplatz

 

Die Christuskirche ist ein im späten 19. Jahrhundert im Stil des Historismus erbautes Gotteshaus. Das Kirchengebäude wird seit 1987 als ökumenisches Zentrum genutzt. Daran beteiligt sind die örtliche evangelische Christus-Immanuel-Gemeinde, eine Serbisch-Orthodoxe Gemeinde sowie die evangelische, ostafrikanische Oromo-Gemeinde Frankfurts. Die verschiedenen Glaubensgemeinschaften gestalten die Kapellen nach ihren liturgischen Anforderungen. So kann jede der drei in der Kirche beheimateten Gemeinden Gottesdienste eigenen Charakters feiern. Die Kirchengebäude wurde in Zweiten Weltkrieg bei zwei Luftangriffen auf Frankfurt stark beschädigt und blieben danach über dreißig Jahre eine Ruine. In den Jahren 1976/1977 wurde die Kirche zuletzt als ein Ökumenisches Zentrum eingeweiht.

Das Gebäude steht unter Denkmalschutz des Landes Hessen.

 


Senckenbergmuseum und –bibliothek  Senckenberganlage 25-27

„Jurassic Park am Main“ wird das Museum genannt, zu dessen Attraktionen die Skelette und Rekonstruktionen
von Dinosauriern gehören.

Senckenberg Museum

Wie die Universität, der Palmengarten, das Städelsche Kunstinstitut und zahlreiche weitere Institutionen des städtischen kulturellen Lebens, geht auch der Senckenberg-Komplex auf private Stiftungen und Vereinigungen Frankfurter Bürger zurück. Betreiber des Naturkundemuseums ist die 1817 gegründete Forschungsgesellschaft Senckenberg. Das Museum wurde im Jahre 1907 eröffnet. Der schlossartige neobarocke Bau von Ludwig Neher steht mit seinen offenen Arkaden in architektonischem Kontext mit den Flügelbauten des „Physikalischen Vereins“ und der „Senckenbergischem Bibliothek“. Der weitläufige Komplex erhält seine zentrale Gliederung durch den hervortretenden reich verzierten Mittelrisalit des Museumsgebäudes. Dessen Giebel ist mit plastischem Schmuck verziert und halbskreisformig abgeschlossen.

Vor dem Senckenberg-Naturmuseum erhebt sich auf dem Grünstreifen ein riesiger Tyrannosaurus rex, ein Fleischfresser aus der Kreidezeit. Eine Fährte von Saurier-Fußabdrücken im Museum führt in die Abteilung der Dinosaurier. Riesige Skelette und Modelle versetzen die Besucher in die Kreidezeit. Die Räume des Senkenbergmuseums zeigen Exponate zu Erdgeschichte, Geologie, Mineralogie, Säugetieren, Vögeln, versteinerten Fledermäusen und Fischen, Insekten und Käfern sowie der Evolution des Menschen. Die Entstehung der Erde und des Lebens bis zur Entwicklung des Menschen wird anschaulich dargestellt. Auch Fossilien aus der Grube Messel bei Darmstadt, in der das berühmte Urpferdchen (Palaeotherium) gefunden wurde, sind zu sehen. Dioramen zeigen die Tiere in ihren Lebensräumen. Man kann Bienen bei der Arbeit beobachten und an einem Modell einen Vulkanausbruch auslösen. In der Unterwasserwelt ist die Vielfalt der Meeresbewohner und Süßwasserfische zu erleben. Eine der vielen Abteilungen des großen Museums beschäftigt sich mit den Mumien des Alten Ägypten. Viele der Ausstellungsstücke sind selten, wie zum Beispiel der Originalschädel des dreihörnigen Dinosauriers Triceratops. Ein großer Schatz ist ein versteinerter Saurier, von dem ein Stück seiner schuppigen Haut erhalten geblieben ist.

Das Senckenbergmuseum bietet neben der Dauerausstellung auch wechselnde Sonderausstellungen. Wissenschaftliche Vorträge und Events runden das Angebot ab. In Kombination mit einem museumpädagogischen Programm bringt man großen und kleinen Besuchern die Naturwissenschaft näher.

Der Eintritt mit Kulturpass 1,00 €.

Villa Hoffmann – Sitz des Literaturhauses von 1987 bis 2005.  Bockenheimer Landstraße 102

Villa Hoffmann – Literaturhaus Frankfurt

 Das Literaturhaus Frankfurt wurde 1989 von einer Gruppe Frankfurter Bürger zusammen mit dem damaligen Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann initiiert.  Am 09. Januar 1991 wurde das Literaturhaus schließlich in der Villa Hoffmann eingeweiht. Für nahezu 15 Jahre hatte es seinen Sitz in der gründerzeitlichen Villa. In den über 100 Jahren seines Bestehens wechselte das Gebäude vielfach seine Besitzer.

Erbaut wurde es im neoklassizistischen Stil in den Jahren 1910-1912 nach Entwürfen des Architekten Alfred Engelhard. Doch bereits wenige Jahre später verkaufte der damalige Bauherr Anton Hoffmann die Villa an den jüdischen Unternehmer Albert Sondheimer (1876-1942) – Unternehmer und Teilhaber der Firma Beer. Dieser erwarb 1918 das Anwesen und zog mit seiner Frau Margarethe und seinen vier Töchtern in die Villa ein. Er galt als großer Bücherfreund und richtete im Haus eine umfangreiche Bibliothek hebräischer, deutscher und internationaler Bücher ein. 1932 emigrierte die Familie Sondheimer nach den Haag und nahm dabei 40 Bücherkisten mit. 1935 beendete die Firma Beer, Sondheimer & Co. Ihre Geschäftstätigkeit. Sondheimer verkaufte 1937 die leerstehende Villa an die Stadt Frankfurt. Familie Sondheimer, die wegen ihres jüdischen Glaubens in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt wurde, zog 1939 noch vor der deutschen Besetzung der Niederlande nach New York. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielten die Töchter Sondheimers die Villa im Jahr 1950 von der Stadt zurück. Da sie nach den Erfahrungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht wieder nach Deutschland zurückkehren wollten, verkauften sie Villa 1952 weiter. Eine Gedenktafel am Haus (Text) erinnert seit 2005 an den jüdischen Bewohner Albert Sondheimer und dessen erzwungene Auswanderung.

Nach unterschiedlichsten Arten der Nutzung folgte 1991 der Einzug des Literaturhauses. In Jahre 2005 übersiedelte das Literaturhaus in die von dem Frankfurter Architekten Christof Mäckler wiederaufgebaute Alte Stadtbibliothek an der Schönen Aussicht, wo es am 08. Oktober 2005 feierlich eröffnet wurde. Im Jahre 2009 verließ auch das Literaturhaus das Gebäude. Von da an versuchte die Stadt erfolglos, das Haus zu verkaufen. Am 27. April 2012 erwarb die KfW-Stiftung das Haus für fünf bis sechs Millionen Euro. Es soll nach einer Denkmal-gerechten Sanierung als der Hauptsitz der Stiftung eingerichtet werden. Die Gebäudesanierung begann im Jahr 2014, war jedoch erst Ende des Jahres 2018 abgeschlossen. Die Stadtvilla ist ein unter Denkmalschutz stehendes großbürgerliches Wohnhaus.

Text: yal

Fotos: yal

September 2021