Zwischen Autobahn, Bahntrasse und Wasser leben auf der rund zwei Kilometer langen Fläche etwa 7000 Menschen unterschiedlicher Herkunft. Multikulturell, vom Einfamilienhaus bis hin zur Großindustrie ist alles vertreten.
Das Gutleutviertel liegt am Nordufer des Mains. Im Osten reicht es über die Friedensbrücke hinaus bis zur Wiesenhüttenstraße, wo das Bahnhofsviertel beginnt. Im Westen grenzt es unmittelbar vor der Europabrücke an den Stadtteil Griesheim. Im Norden wird es vom Gallus und den vom Hauptbahnhof nach Westen führenden Gleisen begrenzt. Vom hiesigen Heizkraftwerk wird Frankfurt mit Energie versorgt.

Das Gutleutviertel in Frankfurt ist ein Biotop der Kulturen. Hier erlebt man sowohl Obdachlose als auch Superreiche – ohne Garten zwar, aber mit Bootsanlegestelle – ganz friedlich auf engstem Raum. Städtebaulich ist das Viertel sehr heterogen. Die Bebauung des „alten“ Gutleutviertels existiert größtenteils seit der Gründezeit. Auf dem ehemaligen Westhafengelände befinden sich hochwertige Neubauten in exklusiver Lage. Im hinteren Teil des Viertels sind große Teile am Main von der Industrie geprägt. Neben den Industriegebäuden weist die sogenannte „Wurzelsiedlung“ auf die Vergangenheit als Arbeiterviertel hin. Das Gutleutviertel – das ehemalige Arbeiterviertel – war früher einer der sozialen Brennpunkte der Stadt.
Seinen Namen hat das Gutleutviertel vom mittelalterlichen Gutleuthof („Gute Leute“), einem außerhalb der Stadtmauern gelegenen Spital für Leprakranke, das schon im Jahre 1286 erwähnt wird. Das Gutleutviertel war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts kein strukturiertes Stadtviertel, sondern eine landwirtschaftlich genutzte Fläche vor den Toren der Stadt. Die im Grunde freie Fläche des Bahnhofsviertels und des Gutleutviertels nutzen die Stadtplaner am Ende des 19. Jahrhunderts zur Errichtung einer Reihe von Infrastrukturobjekten. 1849 wurde in der Nähe der Ostgrenze des Viertels die Friedensbrücke eröffnet. Gleich zu Beginn ihrer Machtübernahme in Frankfurt errichteten die Preußen 1877 die Gutleutkaserne für ein Infanterie-Regiment.

Der rote, burgähnliche Backsteinbau wurde später sowohl von den Nazis als auch von der US-Army militärisch genutzt. 1994 wurde nach fünfjähriger Umbauzeit aus dem ehemaligen Militärbau ein Behördenzentrum.

Auf einem benachbarten Gelände sind u.a. fünf Frankfurter Finanzämter, das Amt für Straßen- und Verkehrswesen Frankfurt, die Hessische Straßenverkehrsverwaltung sowie das Sozial- und Arbeitsgericht Frankfurt und schließlich das Hessische Landesarbeitsgericht errichtet worden. Das Polizeigebäude und die Verwaltungsfachhochschulen verfügen über eigene Baukörper und sind über gesonderte Eingänge zu Fuß zu erreichen. Das Gebäude der Finanzämter ist von farbigen Hüten geschmückt, die man als Zugreisender bei der Einfahrt nach Frankfurt sehen kann.

Die Gebäude sind so konzentriert, dass sogar ein neuer Stadtteilpark entstehen konnte.

Gegenüber findet das Leben des Viertels statt: Zwischen Werft- und Speicherstraße und am Rottweiler Platz stehen zwischen Altbauten architektonisch gelungene Sozialwohnungen. Hier steht das Gebäude der „SAALBAU Gutleut“ mit edlem Design und einem ungewöhnlichen Ambiente. Die zentrale Lage, eine ausgefallene Architektur im postmodernen Stil und die hochwertige Innenausstattung machen die „SAALBAU Gutleut“ zu einem begehrten Objekt für exklusive, mittelgroße Veranstaltungen. Das anspruchsvolle Entree und die moderne Bartheke kann für einen stilvollen Empfang der Gäste benutzt werden. Sehr beeindruckend ist der repräsentative klimatisierte Achteck-Saal mit Rundum-Verglasung entlang der Kuppel. Drei Clubräume laden zu Kreativ-Meetings ein. Die Pausen genießt man im kleinen Innenhof.

Gedenkstein Familie Jürges befindet sich am Hbf.
Ein unauffälliger schlichter Gedenkstein erinnert an Martin Jürges und seine Familie. Er war evangelischer Stadtjugendpfarrer und Pfarrer der Gutleut-Gemeinde. Er setzte sich für benachteiligte Menschen in seinem Stadtteil ein und war ein engagierter Friedenskämpfer. Martin Jürges kam gemeinsam mit seiner Familie am
22. Mai 1983 beim Flugtagunglück von Frankfurt ums Leben. Ein Starfighter der Kanadischen Luftwaffe stürzte auf die Bundesstraße 44 und Trümmerteile trafen das Auto der Familie. Das Flugzeug hatte an einer Flugschau auf der Rhein-Main-Air-Base teilgenommen.
Industrie im Gutleutviertel.
Am westlichen Ende der Gutleutstraße gibt es bis heute große Industrieanlagen, so zum Beispiel den Gutleuthafen aus den 1960er-Jahren, dessen Kaimauern aus Stahlspundwänden bestehen und an denen hauptsächlich Schüttgut verladen wird.
Ihm gegenüber betreibt die Deutsche Post AG seit Dezember 1996 ein Briefverteilzentrum – das drittgrößte von 83 Briefzentren in Deutschland. Dort sind etwa 1300 Mitarbeiter beschäftigt.

Das Heizkraftwerk-West, das mit Kraft-Wärme-Kopplung arbeitet und an seinem hohen Schornstein zu erkennen ist. Das 1894 als Städtische Elektrizitätszentrale errichtete Heizkraftwerk-West war eines der ersten Dampfkraftwerke in Deutschland. Mit seinen 1989 fertiggestellten Blöcken 2 und 3 und dem 1994 erbauten Block 4 mit Erdgasfeuerung bildet es bis heute die Grundlage der Frankfurter Stromversorgung und des innerstädtischen Fernwärmenetzes.
Das Heizkraftwerk verfügt über eine eigene Anlegestelle und wird noch immer über den Main per Schiff mit Kohle beliefert.

Bemerkenswert ist die technische Einrichtung der Anlegestelle nahe der Main-Neckar-Brücke mit einem Kran, der mittels einer archimedischen Schraube in seinem Rüssel die fein gemahlene Kohle für das Kraftwerk aus den Schiffen befördert. Über ein Förderband gelangt die Kohle durch die Bürogebäude des Westhafen-Piers in das Kraftwerk.

Der Flusshafen Gutleuthof wurde 1968 in Betrieb genommen und verfügt über eine Anbindung an die Hafenbahn. Die Verladeeinrichtungen und die Hafengebäude des Flusshafens werden aufgrund seiner guten Verkehrsanbindung an Straße, Schiene, Flughafen und Fluss in starkem Maße genutzt. Umgeschlagen wird in erster Linie massenhaftes Schutt- und Stückgut. Es ist neben dem Osthafen die einzige noch ständig in Betrieb befindliche Frankfurter Hafenanlage. Auf dem Gelände des Flusshafens Gutleuthof befindet sich ein Betonwerk der Sehring Beton GmbH & Co KG.
Sommerhoffpark. Ruheort unter alten Bäumen.
Gutleutstraße 315.

Die Gutleutstraße ist heute nicht mehr Frankfurts vornehmste Adresse. Anders war das vor 200 Jahren. Nach Aufgabe der Stadtbefestigung zog es die reichen Kaufleute hinaus aufs Land, aber doch unweit der Stadt. Diese Absicht hatte auch der wohlhabende Weinhändler und Bankier Johann Noe Gogel vom Rossmarkt. In seinem Hause verkehrten unter anderen der Philosoph Hegel und der Dichter Hölderlin. Gogel erwarb 1803 ein großes, idyllisch am Mainufer gelegenes Grundstück. Stararchitekt Salins de Montfert erbaute das Landhaus, Gogel ließ einen Landschaftspark mit Gärtnerwohnung und Gewächshaus anlegen. Gogels Park galt als einer mit seinen antiken Skulpturen als einer der schönsten der Stadt. Am Main gab es eine Ufermauer. Die Ostecke wurde als große baumbestandene Aussichtsplattform ausgeführt. Gogels Gut war ein schieres Idyll. Das Anwesen wurde 1883 verkauft und hieß nach seinem neuen Besitzer nun „Sommerhoffpark“. Die neuen Eigentümer erweiterten den Park, pflanzten fremdartige Bäume, bauten eine Kegelbahn.
Die wunderbare Aussicht von der Uferterrasse auf den Fluss kann jedermann gratis genießen. Still ist es hier, Richtung Westen blickt man auf den runden Bogen der Europabrücke, östlich spannt sich die Main-Neckar-Eisenbahnbrücke über den Fluss. Zahlreiche Bänke säumen den Weg entlang des Mains und bieten Gelegenheit, die Landschaft zu betrachten. Der weitläufige Park ist außerdem mit einem großen, schattigen Spielplatz ausgestattet. Gegenüber liegt das dicht bewachsene Niederräder Mainufer.
Dr. Carl Milchsack. Die Milchsack-Kulturfabrik.
Gutleutstraße 294.

Der Enkel des früheren Inhabers der Dr. Carl Milchsack-Druckfarbenfabrik, Peter Peters, der selbst Autor und Künstler ist und ein Herz für Kulturschafende und Kreative hat, gründete 1999 die „Milchsack-Kulturfabrik“. Inzwischen haben sich die Hallen und Gebäude mit Künstlern, Grafikern, Bildhauern, Theaterleuten, den Akteuren des Tanzhauses West (ehemals „Space Place“) und Besuchern eines Techno-Clubs gefüllt.
Die Kulturfabrik beherbergt auf knapp 400 qm auch eine wichtige sozialpädagogische Einrichtung der Stadt Frankfurt mit Ferienprojekten für Schulklassen, Kinder und einem Projekt zu Resozialisierung straffällig gewordener Jugendlicher – „Bildhauerwerkstatt Gallus“. Unter Anleitung eines pädagogischen Teams können sie sich bei der Arbeit am harten Stein, Holz oder Metall erfahren und eigene Ideen umsetzen.

Ein Rundgang durch diese Bildhauerwerkstatt eröffnet dem Besucher ein Panoptikum der ungeahnten, zu handfesten, raumgreifenden Dingen gewordenen Phantasie. Heute liegen auf dem Gelände auch ein Atelierhaus, ein Wohnhaus, eine Autowerkstatt und ein Korallenzüchter.
Ab den 2000er Jahren siedelten sich vorübergehend Labors und Büros der untergegangenen Druckfarbenfabrik an. Die ehemaligen Labor- und Verwaltungsgebäude (heute Künstlerhaus Gutleut) werden an Kreative unterschiedlicher Sparten wie bildende Künstler, Grafiker und Musiker vermietet.
Seit 2004 befindet sich das Freie Theater „Landungsbrücken“ in der knapp 200qm großen Halle – beiderseits Wand an Wand mit einem Techno-Club und dem Tanzhaus West „Dora Brilliant“ (ehemals „Space Place“).
Es sind schon zwanzig Jahre, in denen sich die Druckfarbenfabrik zu einer kleinen Oase für Kreativität, Menschenfreundlichkeit und Kultur entwickeln konnte. Die Druckfarbenfabrik Dr. C. Milchsack nimmt an den „Tagen der Industriekultur“ teil. Der Eigentümer Peter Peters lädt zu einem gemeinsamen Spaziergang über das Gelände ein und erläutert dessen Geschichte – vertieft durch eine Fotoausstellung mit historischen Aufnahmen. Auch ein buntes Kinderprogramm mit Spiel-Liedern, Vorlese-Geschichten, Jonglage, Workshops und ein bisschen Zauberei wird geboten. Mit Live-Musik und Tanz in der Gutleutstraße 294 kann der Besucher eine schöne Zeit mit anderen beim Feiern verbringen. Die Kulturfabrik nimmt mit einem Veranstaltungsprogramm für Jung und Alt auch am „Frankfurter Kunstsommer“ und den „Gutleut-Tagen“ teil. Die Veranstaltungen beinhalten Ausstellungen von Künstlern und Kreativen, einen interaktiven Spaziergang, Kurzfilme, eine Fotoausstellung, ein Kinder-Programm, offene Atelier-Workshops und Live-Musik… Im August organisiert die Stadtteilinitiative Gutleutviertel ein Sommerfest, interaktive Spaziergänge (eine Art der Stadtteilpräsentation), Führungen und Konzerte. Eine Woche lang gibt es unterschiedliche Veranstaltungen.
Das Nachbarschaftsbüro (Speicherstraße 20) mit Quartiersmanagerinnen Amanda Bruchmann und Lena Landrock führt folgende Projekte:
- Nachbarschaftscafe;
- Vernetzung von Stadtteil-Akteuren;
- Unterstützung von Stadtteil- und Nachbarschaftsfesten;
- Generationenübergreifende Kulturangebote;
- Aufräumaktion („Gutleut glänzt“);
- Betreuung von Urban-Gardening-Initiativen;
- Stadtteilzeitung;
- Reparatur-Cafè-Gutleut;
- Unterstützung der von der Nachbarschaft initiierten Sportangebote (z.B. Skate-Workshop mit Jugendlichen);
- Einkaufstaxi für Senior*innen im hinteren Gutleutviertel…
Der Verein „Gude Leut“ wird nun jedes Jahr beim Rottweiler-Platz-Fest finanziell unterstützt.
Der neue Westhafen.
Das Gutleutviertel wurde ab 1993 durch die Umstrukturierung des ehemaligen Westhafens nach Süden erweitert. Als Binnenhafen wurde er 1886 von Oberbürgemeister Miquel feierlich eingeweiht, nachdem unter preußischer Regierung der Main kanalisiert und so der alte Winterhafen gegen Hochwasser sicher gemacht worden war. Er etablierte sich schnell als leistungsfähiger Güterumschlagplatz, vor allem für Getreide.

Von den historischen Gebäuden wie Speicherhallen und Silos ist heute lediglich das ehemalige Druckwasserwerk von 1898 (Rotfelder-Ring 16) erhalten geblieben. Mit seinem hydraulischen Antrieb ermöglichte es den Betrieb aller mechanischen Anlagen des Hafens. Das Druckwasserwerk unterhalb der Main-Neckar-Brücke, in dem mit zwei Dampfmaschinen die Energie für die Krananlagen gewonnen wurde, hat sich zu einer beliebten Location gemausert. Heute kann man in seiner 13 Meter hohen Maschinenhalle kreative deutsche Küche in einer besonderen Umgebung genießen und feiern. In diesem Restaurant herrscht eine einmalige Atmosphäre. Auf ein weiteres Highlight darf man sich im Sommer freuen: ein mit echtem Tahiti-Sand aufgeschütteter Strand.
Der Westhafen Tower. Das „Gerippte“.

Neues Wahrzeichen und architektonisches Highlight ist der im Jahre 2004 fertiggestellte (109) 112 Meter hohe Westhafen-Tower, der im Volksmund wegen seiner an ein traditionelles Apfelweinglas erinnernden Fassade „das Gerippte“ genannt wird. In der Nähe der Friedensbrücke am Westhafenplatz ragt er über die Dächer des Viertels in den Himmel. Er bietet auf 30 Geschossen über 23.000 Quadratmeter Bürofläche. Dort haben sich Makler, Anwälte und Finanzdienstleister niedergelassen. Der kreisrunde und vollverglaste Turm besitzt eine rautenförmige Verstrebung aus 3500 Glasdreiecken, die das Licht unterschiedlich reflektieren. Dieser Dreieckstruktur und seiner runden Form verdankt der Büroturm seinen Ruf als größtes Ebbelwoi-Glas der Welt.
Aber auch sonst kann sich die Architektur in dem jungen Stadtviertel sehen lassen. Spiegelfassaden, klare Linien und Formen spielen mit der Nähe zum Wasser und der Hafenatmosphäre. Auch die Straßennamen wie Flusskrebsweg, Bachforellenweg (Marina Westhafen) und Karpfenweg stellen den Bezug zum Wasser her. Denn rund um das 560 m lange Hafenbecken verwirklichten die Investoren modernste Büro- und Wohnhäuser, die nicht für die typische Ebbelwoi-Klientel gedacht sind.

Es entstand eine ganze Reihe von Appartementhäusern – teils mit Bootsanlegesteg – außerdem eine Marina mit Liegeplätzen und Segelschule. Die siebenstöckigen Quader mit versetzt angeordneten großen Balkonen ragen auf der Nordseite in das 75 m breite Hafenbecken hinein. Die modernen Wohnhäuser auf der Mole stehen teilweise auf Pfählen im Wasser.
Mit der Entwicklung des Wohn- und Gewerbegebietes auf dem ehemaligen Frankfurter Westhafengelände (Projekt „Wohnen und Arbeiten am Fluss“) befindet sich der Stadtteil im Wandel. Es gibt neue Einkaufsmöglichkeiten und es haben sich eine ganze Reihe neue Gastronomiebetriebe angesiedelt. Im Jahr 2008 war die Bebauung des Mainufers mit rund 212.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche (verteilt auf 121.000 Quadratmeter gewerblicher Nutzung und 91.000 Quadratmeter Wohnnutzung) weitgehend vollendet.
Es entstand ein architektonisch anspruchsvolles Areal direkt am Wasser, welches Eleganz mit Industrie-Charme kombiniert. Belebt wird das einstige Hafenbassin durch eine Marina und zahlreiche Gastronomie-Betriebe.
üdlich des Hauptbahnhofs der Fernbusbahnhof Frankfurt am Main sowie der Neubau des InterCityHotel eröffnet.
Text: yal
Fotos: yal
August 2021