Eine Villa voller Kunst

Während die Deutsche Bundesbank saniert wird, zeigt sie ausgewählte Werke aus ihrer Kunstsammlung im Museum Giersch der Goethe-Universität. Erstmals sind diese auch für normal Sterbliche in Teilen zu sehen.
Viele Frankfurter Kunstwerke strahlen im Verborgenen. Oftmals sind sie im Besitz der Banken, die sich vornehmlich mit dem Aufbau der eigenen Sammlungen beschäftigen. So sind einige dieser Kunstschätze zwar regelmäßig, aber nur nach Voranmeldung zu sehen. Andere hingegen bleiben für die gewöhnliche Laufkundschaft für immer abgeschottet. Doch nun ist es so, als ob sich ein Panzerschrank öffnet: Die Deutsche Bundesbank lässt erstmals einen kleinen Einblick in ihre seit über 60 Jahren bestehende Kunstsammlung zu. Kein Zufall. Da das markante Hochhaus des Geldinstituts in Bockenheim saniert wird, brauchte es temporär neuen Platz für eine Auswahl seiner teuren Sammlung an Nachkriegsmalerei. In der spätklassizistischen Villa des Museums Giersch der Goethe-Universität (MGGU), welches direkt am Main-Ufer thront, wurden die passenden Räumlichkeiten dafür gefunden. Dort spielen 90 erlesene Werke, die in Teilen bislang kaum jemand zu Gesicht bekam, die Hauptrolle für die Premiere. Passenderweise lautet die Ausstellung, die noch bis zum 08.01.2023 läuft, „Ortswechsel. Die Kunstsammlung der Deutschen Bundesbank zu Gast im Museum Giersch der Goethe-Universität“.
Das Haus gehört der Uni

Im Jahr 2000 wurde das Museum mit Wasserblick durch die von dem Frankfurter Unternehmer Prof. Carlo Giersch und seiner Gattin Karin ins Leben gerufene namensgleiche Stiftung eröffnet, bis es 21 Jahre später für 30 Jahre an die Frankfurter Goethe-Universität überging. Seitdem tritt es unter dem Namen Museum Giersch der Goethe-Universität auf. Mit der neuen Umgebung kann sich die Zentralbank durchaus anfreunden: „Damit ergibt sich ein völlig anderer Wirkungsraum für die Werke als sonst die Gebäude der Bundesbank, wo die Kunst in den Fluren, Besprechungsräumen sowie Büros und bisweilen auch zwischen Zimmerpflanzen, Kopierern und Sitzgarnituren ihren Platz hat“, heißt es in einer Mitteilung der Bank.
Augenmerk auf das Publikum

Seit der Gründung 1957 zählt Deutschlands Hausbank in seiner Sammlung über mehrere Tausend Werke – vor allem Malerei, Grafik und Skulptur, vereinzelt auch Fotografie. Zwar ist der Zugang zu diesem Kunst-Archiv prinzipiell möglich, aber durch die Sicherheitsvorgaben des Instituts für alle Otto-Normalkunstliebhaber*innen eingeschränkt. „Doch mit dieser Ausstellung nun tritt die Sammlung in den Fokus der breiten Öffentlichkeit und es erschließt sich ihr besonderer Charakter“, heißt es weiter. So stellt die Werkauswahl einen Querschnitt durch die deutsche Kunstgeschichte des 20. und frühen 21. Jahrhunderts dar – angefangen mit prominenten Schöpfer*innen der deutschen Kunst nach 1945 wie Georg Baselitz, Anselm Kiefer, Wolfgang Mattheuer oder Ernst Wilhelm Nay, bis hin zu Künstler*innen der Gegenwart wie Anne Imhof, Jorinde Voigt oder Jonas Weichsel.
Geiger begegnet Baers

Insgesamt ist die Ausstellung in elf unterschiedliche Themenräume unterteilt, deren Titel etwa „Fortführung des Gestischen“, „Farbe absolut“ oder „Geschichte und Geschichten“ lauten. Zudem treffen die Kunstwerke in thematisch gegliederten Konstellationen aufeinander. So sollen Dialoge zwischen Werken aus unterschiedlichsten Entstehungszeiten entstehen. Beispiele: „Eine Arbeit von Anne Imhof mit gestischen Kratzern im Acryllack auf Aluminium trifft auf die „Übermalungen“ Arnulf Rainers. Rupprecht Geigers leuchtend rotes Farbfeld begegnet den ironisch konnotierten Arbeiten Monica Baers. In ihrer Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte steht Anselm Kiefers archaisierende Bildwelt den konzeptuellen Fotografien von Annette Kelm gegenüber“, heißt es ergänzend dazu.
Kultur am Arbeitsplatz

Eigens für die museale Präsentation wurden zwei weitere Räume mit neuen Arbeiten von Michael Riedel und Frauke Dannert am Schaumainkai konzipiert – beide Künstlerinnen sind ebenfalls in der Sammlung der Notenbank vertreten. Auf den „Ortswechsel“ der Kunst nehmen schließlich zahlreiche Fotografien Bezug; Sie zeigen die Kunst im Kontext der Büros, Flure und Besprechungsräume der Bundesbank. In einem eigens für die Ausstellung produzierten Kurzfilm kommen zum Schluss auch die Mitarbeiterinnen der Bundesbank selbst zu Wort. „So wird erfahrbar, wie die Kunstwerke vor Ort die Räume prägen und den Arbeitsalltag bereichern, indem sie zu Reflektionen, zu Interpretationen, zu Erkenntnis und emotionalen Reaktionen anregen“, ist sich die Bank sicher.
Informelle auf der Einkaufsliste

Die Schau informiert schließlich ebenfalls über die Geschichte dieser besonderen Sammlung, die auch Momente der deutsche Geschichte nach 1945 widerspiegelt. Vor allem konzentriert sich die gesamte Sammlungstätigkeit der Zentralbank auf Kunst aus dem deutschsprachigen Raum. So geht die Auslese bis in die Gründungsjahre der Institution in der Nachkriegszeit zurück, als junge informelle Künstler wie Karl Otto Götz oder Heinz Kreutz angekauft wurden. Sie standen für den Aufbruch und eine neue künstlerische Freiheit nach westlichem Vorbild. Ihre Kunst bezeichnet bis heute keinen einheitlichen Kunststil, sondern eine künstlerische Haltung, die gegenständliche Motive und das klassische Kompositionsprinzip ablehnt. Gleichfalls kamen Positionen der klassischen Moderne hinzu, darunter Arbeiten von Erich Heckel, Hans Purrmann oder Karl Hofer. In den folgenden Dekaden wurde die Sammlung nach und nach durch aktuelle Positionen erweitert. Nach der deutschen Wiedervereinigung kamen auch Künstler*innen aus den neuen Bundesländern hinzu.
Klapphocker auf jeder Etage

Gut noch zu wissen, dass das gesamte Ausstellungshaus barrierefrei zugänglich ist. Für Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen erfolgt der Zugang über einen Aufzug hinter der Eingangstreppe. Eine rollstuhlgerechte Toilette befindet sich im Untergeschoss. In einigen Ausstellungsräumen stehen Sitzgelegenheiten zur Verfügung. Leichte Klapphocker können im 1. Stock neben dem Eingang zur Ausstellung für den Besuch ausgeliehen werden. Das Tragen von medizinischen Masken wird im gesamten Gebäude empfohlen. Wer zusätzlich zur Ausstellung an den Abend- oder Kurator*innenführungen teilnehmen möchte, findet die Termine dazu im Veranstaltungsprogramm, das HIER (PDF, 220 KB) zum Download bereit steht. (DE/2022)
Kontakt:
Museum Giersch der Goethe-Universität (MGGU)
Schaumainkai 83
60596 Frankfurt am Main
Tel: 069 1382101-0
E-Mail: info@mggu.de
Öffnungszeiten:
10:00 –18:00 Uhr (Di, Mi, Fr, Sa, So)
10:00 – 20:00 Uhr (Do)
Kosten:
7 € (2,50 € Frankfurt-Card, 1 € Kulturpass)