1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Denkmal für das jüdische Kinderhaus in der Hans-Thoma-Straße
Ein Dreidel ist ein Kreisel mit vier Seiten, der in einem Spiel von europäisch-jüdischen Kindern während des achttägigen Lichterfestes Chanukka gedreht wurde. Zumeist wurde um Süßigkeiten gespielt. Die Spieler drehten ihn reihum und die nach oben ausgerichtete Seite zeigte den Gewinn an. Ein Dreidel diente als Vorlage für ein Denkmal für ein jüdisches Kinderhaus im Stadtteil Sachsenhausen.
Durch seine Größe und lebendige Materialität wird der Dreidel im Stadtraum zum magischen Objekt. Und wer sich durch die haptische Qualität eingeladen fühlt, neugierig wie ein Kind ihn näher zu erkunden, wird entdecken, dass jemand mit bloßem Finger Namen in seine Oberseite eingeritzt hat.
Seit dem siebzigsten Jahrestag der Deportation der letzten Kindergruppe am 15. September 1942 gab es alljährlich eine Gedenkfeier auf dem kleinen Platz gegenüber dem Haus Hans-Thoma-Straße 24, der jetzt „Platz der vergessenen Kinder“ heißt. Initiiert wurde sie 2012 von Mitgliedern der Maria-Magdalena- und der Dreikönigsgemeinde. Pfarrer Volker Mahnkopp hatte schon damals begonnen, sich mit der Geschichte des jüdischen Kinderhauses zu befassen, das 1919 vom Verein der weiblichen Fürsorge israelitischer Frauen zur Förderung gemeinnütziger Bestrebungen gegründet wurde. Zunächst wurden jüdische Waisenkinder oder Kinder aus bedürftigen Familien vom Säuglingsalter bis zum sechsten Lebensjahr aufgenommen. Während der Nazizeit erweiterte man die Aufnahmekriterien auch für Kinder bis 14 Jahre.
Am 26. April erfüllte sich nun der Wunschtraum der Initiative und auf dem Platz wurde ein Denkmal für das Kinderhaus eingeweiht. „Das Denkmal wurde (…) gemeinsam mit der Stadt geplant und umgesetzt. Gestaltet hat es die in Schweden geborene Künstlerin Filippa Petterson. Sie hat die Skulptur eines Dreidels gewählt. Mit dem Dreidel, meist einem hölzernen Kreisel, spielten die Kinder beim jüdischen Lichterfest Chanukka. Wir gedenken damit der vielen Kinder und derer, die sich um ihr Wohl sorgten, und die von den Nationalsozialisten in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert und dort ermordet wurden. Wir zeigen auch, dass in unserer modernen Stadt kein Platz für Antisemitismus ist,“ sagte Feldmann, der auch der Schirmherr der Aktion ist.
„Dieses Kunstwerk und der neu gestaltete Platz schaffen einen Ort der Erinnerung. Der Dreidel mag symbolisch nicht nur für den kostbaren Schatz der Kindheit stehen. Zusammen mit dem Platz erinnert er auch an ein Haus, in dem viele Kinder wie auf einer Insel im braunen Meer lebten und wo versucht wurde, ihnen trotz schwierigster Umstände ein liebevolles Zuhause zu bieten,“ stellte Kulturdezernentin Hartwig fest. Auch Marc Grünbaum, der Kulturdezernent der Jüdischen Gemeinde, und Ortsvorsteher Christian Becker erinnerten an die Geschichte des Hauses und bekräftigen die Aussage, dass sich die Geschichte nicht wiederholen dürfe.
Zum Abschluss der Feierstunde trugen Schüler der benachbarten Schiller- und Carl-Schurz-Schule die Namen der deportierten Kinder vor.
Text: yal
Foto: yal
Oktober 2021