WEIMAR WEIBLICH

Bildausschnitt aus dem Film "Die Büchse der Pandora". Dargestellt werden zwei tanzende Frauen, eine im Hochzeitskleid, die andere schaut konfrontierend auf einen rechts von ihnen stehenden Mann.
Quelle: DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum

Einen Blick zurück wirft diese Ausstellung im Deutschen Filmmuseum Frankfurt. Es geht um kreativ wirkende Frauen der frühen Moderne (1918 – 1933), welche zu Unrecht in den folgenden Jahrzehnten vergessen wurden. Daneben wird auch betrachtet, wie das Kino der Weimarer Zeit mit Geschlechterrollen und Homosexualität umging. Die Ausstellung läuft noch bis zum 12.11.2023.

Die Goldenen Zwanziger des vorigen Jahrhunderts waren eine Blütezeit für die deutsche Kunst und Wissenschaft und ein Leben, das sich langsam von dem engen Korsett der traditionellen und binären Geschlechterrollen befreite, bis der Nationalsozialismus viele Fortschritte wieder zerstörte. Beispielhaft sei hier das von Magnus Hirschfeld geleitete „Institut für Sexualität“ genannt, welches Pionierarbeit zu Themen wie Homosexualität, Geschlecht (und in dem Rahmen Transsexualität und Crossdressing) leistete. „Männlich” wirkende rauchende Frauen im Anzug, wie die legendäre Marlene Dietrich, Frauen, die arbeiten gingen oder unverheiratet waren, Persönlichkeiten wie die antike Lyrikerin Sappho, aber auch Kleidungsstücke wie die berühmten kniekurzen, taillenlosen Hängekleider sind ein Symbol dieser Zeit im Umbruch.

Die Ausstellung

Ausstellungsraum: links Frauenkleider der Weimarer Zeit in einer Glasvitrine, rechts eine Wand mit gerahmten Fotos. Geradeaus ist in der Ferne eine Leinwand zu sehen.
Ausstellungsansicht WEIMAR WEIBLICH, Foto: Thomas Lemnitzer
Quelle: DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum

Unter den Themenschwerpunkten Frauen und Geschlechtervielfalt zeigt die Ausstellung in über 300 Exponaten das sich wandelnde Frauenbild und das neue Selbst- und Körperbewusstsein der Frauen dieser Zeit. Damals, wie noch häufig in jüngerer Zeit, wurden weibliche Kunstschaffende von Kritikern ignoriert. Manche arbeiteten auch unter männlichen Pseudonymen. Denn auch obgleich in Kunst und Forschung gesellschaftliche Fortschritte gemacht wurden, teilweise angestossen durch die aufkeimende Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts und der zeitweiligen Freiheit und Arbeitsmöglichkeiten während des ersten Weltkriegs, verblieb ein großer Teil der Gesellschaft noch in traditionellen Mustern (wenn auch frauenseits teilweise aus finanzieller Notwendigkeit). Und auch wenn es eine gewisse gesellschaftliche Duldung queerer Menschen gab (ausser im Falle von Männern: Paragraf 175, welcher erst 1994 gestrichen wurde!), verbargen viele ihre Natur in der Öffentlichkeit und lebten sie höchstens in ihren Nachtcafes aus (ausser im freieren Berlin). Mit der Machtergreifung Hitlers sahen sich queere Menschen einer drastischen Diskriminierung ausgesetzt. Dokumente und Bücher wurden zerstört, daher gibt es nur eine geringe Anzahl von Exponaten zur Familiengeschichte und von historischen Zeugnissen über das queere Leben in der Weimarer Zeit. Hier finden wir eine traurige Paralle zu der derzeitig steigenden Diskriminierung und Gewalt gegen queere Menschen: Nach Jahren der weitgehenden Akzeptanz (oder Indifferenz), gibt es, angefeuert durch Desinformationskampagnen, eine wachsende Zahl von Angriffen auf queere Personen. Hierdurch trauen sich schon jetzt viele homosexuelle Paare nicht mehr, sich offen zu zeigen.

Unter „Frauen und Geschlechterfragen im Film” wird mit Hilfe von Fotografien, Setdesigns und Kostümentwürfen, Plakaten und Zeitungsausschitten der Wandel in der Darstellung von Frauen gezeigt. Passend dazu folgt der Ausstellungsteil über die „Frauen hinter der Kamera“. Bereits in der Weimarer Zeit standen Frauen, ähnlich zu jenen aus der jüngeren Zeit (beispielhaft sei hier Marcia Lou Lucas genannt, die als Filmeditorin das Menschliche in die erste Trilogie der Star Wars Filme brachte), unbekannt hinter ihrem berühmten Mann: Fritz Lang ist vielen ein Begriff – der Mann, der Filme wie Metropolis schuf. Aber viele ‘seiner’ Drehbücher wurden von seiner Ehefrau Thea von Harbou geschrieben (die leider später, wie auch Leni Riefenstahl, eine NS-Kollaborateurin war).

Cutterin am Schneidetisch, um 1930, Foto: Hans G. Casparius
Quelle: Deutsche Kinemathek – Fotoarchiv, © Deutsche Kinemathek – Hans G. Casparius

Aufgeschlossenen Fans von Animationsfilmen wird der Name Lotte Reiniger ein Begriff sein. Mit ihren Scherenschnitten schuf sie bezaubernde Märchenfilme. Ihr Silhouettenfilm „Die Abenteuer des Prinzen Achmed” gilt als erster noch erhaltener Animationsfilm der Welt.
Unter „Kino und Gesellschaft” wird schließlich die Gesellschaft der Weimarer Republik betrachtet. Der Film auf der Leinwand ist hier sowohl Spiegelbild als auch Gesellschaftswandler zugleich. Ein Aspekt des Massenmediums ist die aufkeimende Beziehung zwischen „Kino, Stars und Fans” in Deutschland. Fanartikel, Werbung und Photomatonbilder (ähnlich zum modernen Cosplay – man verkleidete sich und posierte als die Kunstfigur, deren Fan man war) wurden populär. Derweil bilden sich Stereotypen in der bildlichen Darstellung aus, die „Individuum und Typ” in vorgefertigte Formen pressen. Die Reduktion auf Physiognomie und Haltung reflektieren hier die Einstellungen der Gesellschaft.

Für Frankfurter besonders interessant ist der mit Fotografien und Anekdoten angereicherte „Blick ins Private” des weiblichen Lebens vornehmlich im Rhein-Main-Gebiet. Die Fotografien hierfür kommen sowohl von professionellen Fotografen sowie von Privatpersonen.

Die Filme

Parallel zur Ausstellung werden im Filmprogramm des DFFs Filme aus der Weimarer Republik gezeigt. Beziehungen, Gesellschaft und Geschlechtsidentität und -ausdruck sind hier die Themen der gezeigten Filme.

Ein Mann, angezogen in zwanziger Jahre Frauenkleidern, gehalten von einer Frau in Männerkleiden.
Travestieszene aus DER FÜRST VON PAPPENHEIM (Richard Eichberg, 1927)
Quelle: Deutsche Kinemathek – Fotoarchiv


Unmögliche Liebe” handelt von einer älteren Bildhauerin, die sich in einen jüngeren Kollegen verliebt.
Frau im Mond” – Eine Expedition zum Mond, um dort Gold zu finden, endet in einem erbitterten internen Kampf um das Gold. Unter den Expeditionsmitgliedern ist ein Geheimagent und auch eine Dreiecksbeziehung spielt eine Rolle. Die ist einer der Fritz Lang-Filme, welche von seiner Frau Thea von Harbou geschrieben wurde.
Nosferatu” der Klassiker der Vampirfilme und Romanadaption von Bram Stokers Dracula.
In „Das große Licht” geht es um Konflikte: Talent gegen Nepotismus und Rivalität und Ehrgeiz zwischen denen, die eigentlich zusammenarbeiten sollten.
Die Buddenbrooks“, der große deutsche Roman von Thomas Mann über den Verfall einer großbürgerlichen Familie, wurde 1923 als 90 minütiger Stummfilm adaptiert.
Der Fürst von Pappenheim” ist ein Verwirrspiel, bei dem eine vor der arrangierten Hochzeit fliehende Prinzessin und ein Mannequin verwechselt werden und ein Mann in diesem Verwechselspiel als Frau auftritt. Das NS-Regime verwendete Fotos von letzterem, um die vermeintliche Dekadenz des jüdischen Einflusses aufzuzeigen, da der Schauspieler jüdisch war.
Gespiegelt hierzu verkleidet sich in „Ich möchte kein Mann sein” eine sich nicht stereotypisch feminin verhaltende Frau in Reaktion auf Verhaltenskorrekturen durch einen Doktor als Mann. Derart verkleidet kommen sie und ein Mann sich bei einer Feier im Nachtlokal näher. Die Nacht endet mit einem Kuss.

paw / Oktober 2023

Ausstellung

Wann:
noch bis zum 12.11.2023
Mo: geschlossen
Di-Do, Sa-So: 11:00 – 18:00 Uhr
Fr: 11:00 – 20:00 Uhr

Wo:
Deutsches Filminstitut & Filmmuseum e.V.


Kosten: 9€ (6€ ermäßigt)
kostenfrei für KUFTI-Inhaber*innen, U6 Kinder, Geburtstagskinder jeglichen Alters

Kontakt:
Schaumainkai 41
60596 Frankfurt am Main
Tel: 069 961220 – 0
Kasse: 069 961220 – 220
E-Mail: info@dff.film
Führungen: 069 961220 – 223
E-Mail Führungen: museumspaedagogik@dff.film

Barrierefreiheit: für bewegungseingeschränkte Besuchende

Kinofilme

Unmögliche Liebe:
24.10.2023 und 27.10.2023, 18:00 Uhr

Frau im Mond:
29.10.2023 und 11:30 Uhr

Nosferatu:
31.10.2023, 20:30 Uhr

Das grosse Licht:
1.11.2023, 18:00 Uhr

Die Buddenbrooks:
05.11.2023, 17:00 Uhr

Der Fürst von Pappenheim:
08.11.2023, 18:00 Uhr

Ich möchte kein Mann sein:
12.11.2023, 13:00 Uhr

Kosten: 4€ (Jahreskarte 40€, ermäßigt 20€)

Gefördert aus Mitteln der Stadt und des Jobcenters Frankfurt am Main

  

 

Betreut und gestaltet von : AGH Digitales
Fachanleitung:
Timo Aspacher
Faye Förster

 

 

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